imageIn einem Interview mit der NZZ zeigt NR Andri Silberschmidt auf, weshalb ein höheres Rentenalter notwendig und eine 13. AHV-Rente nicht zu verantworten ist. Auszüge.

Heute bekommen neun von zehn Rentenbezügern mehr Geld aus der AHV, als sie eingezahlt haben. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die AHV primär von den sehr Wohlhabenden bezahlt wird. Ist es wirklich ein Problem, wenn Sergio Ermotti oder Christoph Blocher ebenfalls eine 13. AHV-Rente bekommen? Sie haben ja schliesslich dafür bezahlt.
Dieses Argument höre ich oft. Interessant ist aber vor allem die Frage, weshalb heute neun von zehn Personen mehr AHV erhalten, als sie an Beträgen eingezahlt haben.

Dann stelle ich die Frage. Weshalb?
Weil ignoriert wird, dass wir heute ein Rentenversprechen zulasten der Enkel haben, das nicht finanziert ist. Die umlagefinanzierte AHV hängt stärker als alle anderen Sozialsysteme von der Demografie der Schweiz ab. Bei der Einführung der AHV im Jahr 1948 finanzierten 6,5 Arbeitnehmer eine Rente, 2035 werden es noch 2,3 sein. Wenn wir nichts unternehmen, wird sich in den nächsten 25 Jahren ein Defizit von 100 Milliarden Franken anhäufen.

 

Ihre politische Gegenspielerin, die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, sagt, es komme überhaupt nicht darauf an, wie viele Erwerbstätige für eine Rente aufkommen müssten. Relevant sei die einbezahlte Lohnsumme – und die wiederum resultiere in positiven Umlageergebnissen in Milliardenhöhe.
Ich werde ja selten hässig, aber solche Milchbüechlirechnungen ärgern mich. Das ist doch ökonomisch völlig unhaltbar. Tatsache ist, dass man die Rechnung einfach an die nächste Generation weiterreicht und so tut, als wäre das ein effizientes System. Ausgerechnet die Kreise, die in der Energie- und Klimapolitik am vehementesten auf Nachhaltigkeit pochen und daran erinnern, dass wir ab 2050 als Gesellschaft und Wirtschaft CO2-neutral sein sollen, blenden das Argument der Nachhaltigkeit im Bereich der Altersvorsorge komplett aus. Motto: Für die nächsten paar Jahre reicht es ja noch.

Was halten Sie von Jacqueline Badrans Idee, ein Prozent der fast doppelt so hohen Lohnbeiträge in der Pensionskasse in die AHV zu verschieben?
Nichts. Wenn wir anfangen, die drei Säulen gegeneinander auszuspielen, dann ist das der Anfang vom Ende des Dreisäulenprinzips, das vorsieht, dass jede Säule selbsttragend ist. Die Pensionskassengelder sind für die meisten Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, der relevanteste Rentenbeitrag. Wer eine BVG-Rente hat, ist sehr selten von Altersarmut betroffen. Wenn wir also anfangen, die berufliche Vorsorge zu schwächen, riskieren wir auch, dass wir mehr Altersarmut haben werden.

Laut der ersten SRG-Umfrage ist eine Mehrheit der über 65-Jährigen für eine 13. AHV. Wie erklären Sie sich das?
Die SP setzt im Abstimmungskampf nicht umsonst auf das Schlagwort «Kaufkraft». Die Inflation hat bei vielen Menschen zu einem reellen, manchmal auch nur gefühlten Kaufkraftverlust geführt. Was gerne ausgeblendet wird: Eine 13. AHV würde der Kaufkraft nicht nur gefühlt zusetzen, sondern reell.

Inwiefern?
Das Geld für die 13. AHV wächst ja nicht auf den Bäumen, sondern muss erwirtschaftet werden, in erster Linie via Lohnprozente der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In der öffentlichen Debatte redet man praktisch nur von Pensionierten, denen das Geld nicht zum Leben reicht. Niemand redet von den Büezern, die am Ende des Monats weniger Geld erhalten werden und für den Znüni erst noch mehr bezahlen müssen. Ich sehe es in unserem Betrieb . . .

Sie haben ein Gastro-Unternehmen . . .
. . . genau, da ist man froh, wenn man 3 bis 4 Prozent Ebit erreicht. Wenn ein Drittel der Kosten auf das Personal entfällt und der einzelne Mitarbeiter 2 Prozent mehr kostet, frisst das der Gesellschaft unter dem Strich einen Fünftel vom Ebit weg. Das führt automatisch zu tieferen Investitionen, was auch die Arbeitnehmer zu spüren bekommen. Schweizer Löhne sind im internationalen Vergleich heute schon sehr hoch. Steigen sie noch mehr, erhöht sich auch der Spar- und Restrukturierungsdruck der Unternehmen.

  NZZ