Gleich mit dem ersten «Bullet Point» der Zusammenfassung wird uns klargemacht: «Die Familie (…) birgt ein erhöhtes Armutsrisiko». So nachzulesen im Beitrag «Ein neues Familienmodell als Standard für Politik und Gesellschaft» in der BSV-Zeitschrift CHSS.

Was wäre daraus zu schliessen? Eine Empfehlung für den Lebensentwurf als kinderlose Singles, was auch unter Klimaaspekten wohl empfehlenswert wäre? Die Schlussfolgerung geht in eine andere Richtung.

Familie ist zwar Privatsache, aber der Staat möchte sich vermehrt darum kümmern. Das hat auch die Eidg. Kommission für Familienfragen erkennen lassen, und verschiedene Autoren beauftragt, mit Diskussionsbeiträgen die Frage zu beantworten, wie die Familien im Jahr 2040 aussehen könnten.

Die Beiträge aus akademischer Sicht machen ungefähr klar, wie man sich das vorstellt. Ingela Naumann, Professorin an der Uni Freiburg, empfiehlt ein «Kompromissmodell», das vorsieht: eine 12-monatige Elternzeit; unmittelbar anschliessend einen Rechtsanspruch der Eltern auf ganztägig verfügbare Bildungs- und Betreuungsdienstleistungen für Kinder ab dem ersten Lebensjahr; einen gesetzlichen Anspruch auf Teilzeitarbeit (70 Prozent), gleichzeitig für beide Elternteile um «geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt zu vermeiden»; sowie eine zweistufige Kindergrundsicherung aus universeller und einkommensabhängiger Zusatzleistung.

Ist das, was die Professorin aus Freiburg entwickelt, noch Wissenschaft? Schon eher ein ausgereiftes politisches Programm auf der Basis zeitgeistiger Vorgaben. Und es bietet reichlich Ideen für künftige Initiativen aus dem urbanen Juste Milieu. Die Grenzen zwischen Wissenschaft, Politik und Ideologie scheinen sich zu verwischen. Berichte von den Unis in Basel und Bern nähren entsprechende Befürchtungen.

Um das «Armutsrisiko» der Familien abzuwenden, sollen der Staat und seine eifrigen Verwalter ihre Hand über uns halten und eine behütete Zukunft im Zeichen von DEI, Nachhaltigkeit und bezahlbarem Wohnraum für eine rundum Absicherung garantieren. Wie das alles finanziert werden soll: nicht Sache von Frau Naumann. Genauso wenig wie die Finanzierung der 13. AHV-Rente Sache von Pierre-Yves Maillard ist.

Da liest man zur Entspannung und Abwechslung gerne die Brandrede des argentinischen Präsidenten Javier Milei am WEF in Davos, der zum Schluss kommt: «Der Staat ist das Problem». Das ist aus Sicht unserer regulierungssüchtigen, obrigkeitsgläubigen Gesellschaft die ultimative Blasphemie. Ein Verrat an den Werten und Hoffnungen einer progressiven Generation, die all ihre Hoffnungen in den Staat setzt, aber den Beipackzettel ihrer Forderungen mit den Warnungen vor  Risiken und Nebenwirkungen leichtfertig übersieht.

Peter Wirth, E-Mail

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