Nicht einmal ein Drittel der Stimmbevölkerung mochte am 22. September die Reform der beruflichen Vorsorge unterstützen. Auf der Verliererseite: der Arbeitgeberverband.
Dass die Arbeitgeber zu den grössten Verlierern gehörten, hat wohl niemand gemerkt, denn der Verband ist seit dem Abgang seines langjährigen Präsidenten Valentin Vogt in der Bedeutungslosigkeit versunken. Oder wie es ein Beobachter ausdrückt: «Er ist nur noch ein Schatten seiner selbst».
Vogts Nachfolger Severin Moser jedenfalls wird kaum gesichtet, höchstens an den Wettkämpfen seiner Tochter, der medaillendekorierten Stabhochspringerin Angelica Moser. Dort sei sein Herz, dort sei sein Kopf, sagen jene, die mit ihm zu tun haben.
Nun rächt sich die Machtverschiebung, die unter der Ära Vogt stattgefunden hat – weg vom Verbandsdirektoren hin zum Präsidenten. Von 2011 bis 2023 war der Industrieunternehmer im Rang eines Oberstleutnants der Kopf und die Stimme des Arbeitgeberverbands, er war vom Habitus her der CEO mit Militärerfahrung.
Vogt war es, der Bundesräte und Parlamentarier traf, der mit Bundesbeamten feilschte, an Runden Tischen Platz nahm und medial gegen aussen auftrat. Der von ihm ausgesuchte Direktor Roland Müller konnte nie in die grossen Fussstapfen seiner Vorgänger treten, von Heinz Allenspach, Peter Hasler oder Thomas Daum.
Vogt war der Arbeitgeberverband, hundert Prozent Einsatz zu null Franken Lohn. Moser hingegen hat die Entlöhnungsfrage zuerst offengelassen. «Es ist noch nicht definitiv entschieden», sagte er kurz vor seiner Wahl im Interview mit CH Media. «Aber ich mache es sicher nicht wegen des Geldes.»
Doch offensichtlich auch nicht ohne. Er lässt sich seine Arbeit fürs Arbeitgeberpräsidium, die offiziell mit einem 50-Prozent-Pensum veranschlagt ist, mit rund 100’000 Franken entlöhnen, wie aus Verbandskreisen zu hören ist. Der Arbeitgeberverband selbst will die Zahl nicht kommentieren.
Nun gesellt sich also beim Arbeitgeberverband zum unscheinbaren Direktor ein unsichtbarer Präsident. Während die Gewerkschaften unter dem Duo Daniel Lampart und Pierre-Yves Maillard die politische Arena beherrschen, Siege einfahren und die Schweiz in ressourcenraubende Abstimmungskämpfe verwickeln, hat die Gegenseite nichts zu bieten. «Die Gewerkschaften sind besser aufgestellt als wir», sagt ein Mann aus der Wirtschaftsverbandswelt. (…)
Moser zeigt sich auf Anfrage erstaunt, ob der Kritik. Der Arbeitgeberverband sei überhaupt nicht unbedeutend geworden. Er untermauert dies etwa mit der Rolle des Arbeitgeberverbands als Sozialpartner, der Teilnahme an politischen Debatten wie Hearings, der permanenten Arbeit in eidgenössischen Arbeitsgruppen und mit dessen grossem Einsatz gegen die 13. AHV-Rente und für die Reform der beruflichen Vorsorge.
«Ich war in beiden Abstimmungskämpfen auch persönlich sehr präsent», sagt Moser. Das dritte gewichtige Thema des Jahres ist für den Arbeitgeberverband die potenzielle Anpassung des Lohnschutzes im Rahmen der EU-Verhandlungen.
Moser hat sich zwar grundsätzlich für die Bilateralen ausgesprochen. «Aber», ergänzt er, «wir werden unser liberales Arbeitsrecht nicht opfern, auch nicht für die Bilateralen.» Der EU-Deal wird zur Bewährungsprobe für seinen Verband. Und für ihn selbst.
AZ