In der NZZ stellt Hansueli Schöchli die neueste, geplante soziale Errungenschaft, der je 18-wöchige Elternurlaub für beide Elternteile, in den Kontext des fortlaufenden «Sozialabbaus», der die Schweiz seit Jahren heimsucht. Schöchli schreibt:
Am Donnerstag haben Exponenten von links und aus dem Mittespektrum eine Volksinitiative zum starken Ausbau des staatlich bezahlten Elternurlaubs angekündigt.
Die Minimalvorgabe für einen bezahlten Mutterschaftsurlaub liegt zurzeit bei 14 Wochen. Seit 2021 gibt es auch eine staatliche Vorgabe für einen Vaterschaftsurlaub von 2 Wochen.
Die Initiative fordert ein Minimum von je 18 Wochen Mutterschaftsurlaub und Vaterschaftsurlaub – mit Entschädigung von 100 Prozent (statt 80 Prozent) des Lohns für die tieferen Einkommen.
Dies soll durch eine Erhöhung der Lohnbeiträge für die Erwerbsersatzordnung finanziert werden; laut den Initianten wäre eine Erhöhung von 0,5 auf 0,75 Prozent nötig. Die Unterschriftensammlung soll im kommenden Frühling starten.
Die Einführung des staatlich bezahlten Vaterschaftsurlaubs ging auf eine Volksinitiative der Gewerkschaft Travail Suisse zurück; diese forderte 4 Wochen, doch die Initianten zogen ihr Begehren zugunsten eines weniger weitgehenden Gegenvorschlags des Parlaments zurück.
Travail Suisse ist nun auch bei der neuen Initiative wieder aktiv. Zu den Trägern gehören auch die Grünen, die Frauenorganisation Alliance F und die Mitte-Frauen. Die SP sitzt offiziell nicht in der Trägerschaft, dürfte aber den Vorstoss unterstützen. Auch einzelne FDP-Exponenten sind laut den Initianten im Komitee.
Gemessen an den Versprechen der Initianten ist der Vorstoss eine Art eierlegende Wollmilchsau: Er soll gleichzeitig die Geburtenrate steigern, die Erwerbstätigkeit erhöhen, die KMU entlasten, Frauenkarrieren erleichtern sowie die Gesundheit von Eltern und Kindern verbessern.
Und dies quasi gratis. Denn die geschätzten Kosten von einer Milliarde Franken pro Jahr würden nach 20 Jahren durch die höheren Steuern und Sozialversicherungsabgaben refinanziert, sagen die Initianten mit Verweis auf eine von ihnen bestellte Studie des Beratungsbüros Ecoplan.
Die Studie unterstellt im wahrscheinlichen Szenario eine Steigerung des Erwerbspensums der Mütter als Folge der Initiative von 2,5 Prozent; in diesem Szenario würde der geschätzte jährliche Nutzen die jährlichen Kosten nach 25 Jahren übersteigen. Die geschätzten Kosten unterstellen eine Lohnersatzquote von generell 80 Prozent.
Die von Schöchli erstellte Liste von sozialen Ausbauprojekten der letzten Jahre:
13. AHV-Monatsrente (jährliche Zusatzkosten 4 bis 5 Milliarden Franken, vom Volk angenommen); Ausbau der staatlichen Verbilligung der Krankenkassenprämien (gemäss Wünschen der Initianten etwa 5 bis 10 Milliarden, knapp abgelehnt); Ausbau der staatlichen Kinderkrippenfinanzierung (über 2 Milliarden; Ausgang offen); Klimafonds (4 bis 8 Milliarden, Ausgang offen). Hinzu kommt die chancenreiche Mitte-Initiative zur Erhöhung der AHV-Renten für Ehepaare (3,5 bis 4 Milliarden). Die genannten Initiativen würden zusammen etwa jährliche Kosten von rund 20 Milliarden Franken oder noch mehr verursachen; umgerechnet wären das mindestens etwa 6 Mehrwertsteuerprozente.
NZZ / Initiative / Ecoplan-Studie