Der 61-Jährige fällt weich. Er bleibt noch acht Monate im Amt, bis Ende Juni 2025. Und Elisabeth Baume-Schneider gibt ihrem SP-Parteikollegen ein Abschiedslob mit: Rossini habe «wichtige Reformen realisiert» und mit seiner Arbeit einen «grossen Beitrag» zur Sicherung der Sozialwerke geleistet.
Die Art und Weise der Trennung ist typisch für Berner Chefbeamte: viele Monate Austrittsfrist, wenig ehrliche Kommunikation. Konflikte werden offiziell heruntergespielt oder ganz totgeschwiegen. Stattdessen gibt es freundliche Worte auf den Weg. (…)
In der Schweiz gebe es keine gut entwickelte Fehlerkultur, kritisiert Dominik Schaller. Der langjährige Headhunter leitet das Schweizer Büro der Unternehmens- und Personalberatung Egon Zehnder, er hat schon viele Spitzenkräfte bei Personalwechseln beraten. «Hinstehen und einen Fehler eingestehen, wie das zum Beispiel US-Firmen offensiv einfordern, ist bei uns noch immer wenig populär.»
Für ihn liegt im Fall der falschen AHV-Zahlen das Problem nicht in den fehlerhaften Formeln – «Fehler dürfen passieren». Das Problem sei, dass durch fehlende Kommunikation das Vertrauen in die Amtsleitung untergraben worden sei. «Und wenn das Vertrauen weg ist, dann wird es ganz schwierig.» (…)
Im Parlament klingt es ganz ähnlich. «Wenn jemand toxisch wäre, müsste man ihn freistellen», findet FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. Aber im Fall von Stéphane Rossini sei das erstens nicht das Thema, und zweitens sei vor allem eine geordnete Übergabe gefragt, zumal das AHV-Dossier in den nächsten Monaten ein zentrales Thema bleibe.
Was nicht heisst, dass nach Rossinis Abgang auf bürgerlicher Seite keine Kritik aufkommt. Aber die zielt in eine andere Richtung. «Das war ursprünglich eine politische Besetzung, keine fachliche», so SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi.
Der Hintergrund: SP-Bundesrat Alain Berset hatte SP-Mann Rossini 2019 ins Amt gehoben. «Das ist Günstlingswirtschaft», findet Aeschi. «An erster Stelle sollte nicht die politische Ausrichtung, sondern die fachliche Kompetenz stehen.» Von linker Seite verspürt man am Mittwoch wenig Lust, Rossini zu verteidigen. Mehrere Anfragen laufen ins Leere.
Wie Stéphane Rossini selbst seine Amtszeit und seinen Rücktritt sieht, bleibt offen. Er antwortet am Mittwoch nicht auf Kontaktversuche.
Gespräche mit Angestellten der Bundesverwaltung und Sozialversicherungsexperten münden mehrfach in derselben These: Die Fachleute des Bundesamts für Sozialversicherung hätten eine sehr hohe Fachkompetenz – und entsprechend ein hohes Selbstbewusstsein.
Gleichzeitig könne den Mathematikern und Statistikern das Gespür für die politische Dimension ihrer Arbeit abgehen. Eine Quelle sagt es so: «Da muss man von politischer Seite mit- und dagegenhalten. Und das ist schwierig.»
TA