imageMatthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen, ist Kopf der Initiative, die erst Rentenalter 66 und dann dessen Koppelung an die Lebenserwartung verlangt. Zur linken Initiative für eine 13. AHV-Rente sagt er  in einem Interview mit den CH Medien, damit würden Milliarden an Reiche verschleudert. Auszüge:

Ihre Initiative kommt zur Unzeit. Man spricht über den Verlust an Kaufkraft, über höhere Krankenkassenprämien und höhere Mieten. Das ist kein guter Moment, um das Rentenalter anzuheben.
Matthias Müller: Bis zum Jahr 2050 fehlen der AHV 120 Milliarden Franken. Das kumulierte Umlagedefizit entspricht zehnmal den Kosten des Gotthard-Basistunnels. Dieses Problem schafft man nicht aus der Welt, indem man es ignoriert. Eine gute Sozialpolitik schlägt Lösungen vor. Das tun wir. Was wäre denn die Alternative?

Sagen Sie es.
Entweder man senkt die Renten massiv. Das will niemand. Oder man erhöht die Steuern und Abgaben. Das ist das Rezept der Linken. Es ist der falsche Ansatz. Mit einer dosierten Erhöhung des Rentenalters stellt man die AHV hingegen langfristig auf eine solide Basis.

Die Gewerkschaften sprechen davon, dass die Lohnabzüge erhöht werden sollen.
Das wäre brutal. Will man das Defizit der AHV wegbringen, muss man 1,7 Prozentpunkte mehr von den Löhnen abziehen. Will man das? Für Familien mit eher tiefem Einkommen wäre der Kaufkraftverlust einschneidend. Ist es da nicht viel sinnvoller, wenn alle nur ein Jahr länger arbeiten?

Ein Jahr mehr in einem ersten Schritt.
Ja. Bis 2033 würde das Rentenalter auf 66 steigen. Dann folgt die Koppelung an die durchschnittliche Lebenserwartung. Bis 2043 wären wir bei einem Rentenalter von 67. Das ist moderat, wenn man die Massnahmen im Ausland betrachtet – viele Länder erhöhen die Schwelle viel schneller. Wenn nun linke Politiker sagen, dass wir bald bis ins Alter von 100 arbeiten müssten, ist das Mumpitz.

Was ist mit Personen, die keine Rente aus der Pensionskasse beziehen? Haben sie nicht eine höhere AHV verdient?
Es sind vor allem Frauen, die keine Pensionskasse haben, darum sind sie überdurchschnittlich von Altersarmut betroffen. Ein leichter Zugang zur zweiten Säule ist darum zentral. Gegen eine Anhebung der AHV-Minimalrente habe ich keine Einwände. Sie ist heute zu tief und muss unbedingt aufgebessert werden.

Wenn Ihre Lösung für die AHV so bestechend ist, warum unterstützt nur die FDP Ihre Initiative?
Die SVP des Kantons Zürich hat sich klar für die Renteninitiative ausgesprochen – und die Berner SVP auch. Das sind die grössten Sektionen dieser Partei. Die Mitte in Basel-Stadt ist für die Renteninitiative. Viele Jungparteien unterstützen uns. Leider gibt es auf der nationalen Ebene Politiker, die sich aus der Verantwortung stehlen wollen. Man muss den Menschen reinen Wein einschenken und ihnen eine gute Lösung unterbreiten. Den Kopf in den Sand zu stecken, bringt nichts.

Warum setzen Sie nicht bei der Lebensarbeitszeit an? Die Grünliberalen fordern das.
Wird unsere Initiative angenommen, braucht es ein Gesetz. Es spricht nichts dagegen, dass man dann die Lebensarbeitszeit berücksichtigt. Ich habe studiert und doktoriert bis 30 – ich kann arbeiten bis 70. Mein Bruder hat eine Lehre gemacht und mit 16 seinen ersten Lohn verdient. Er muss sicher nicht bis 70 arbeiten.

Ihre Gegner zeichnen ein eher negatives Bild von der Arbeit: mühselig, eintönig, ermüdend – je früher man davon befreit ist, desto besser. Was entgegnen Sie?
Ich stelle in Diskussionen immer wieder fest: Politiker aus linken Parteien stellen die Arbeit als Last dar, als eine Pein. Dabei ist die Arbeit für die meisten Menschen etwas Positives, etwas Sinnstiftendes, ein Ort, an dem man etwas erlebt, Kontakte pflegt, an dem Freundschaften entstehen. Die meisten Menschen arbeiten gerne und lange.

Warum soll man nicht zweimal Ja stimmen am 3. März? Höheres Rentenalter, aber auch mehr AHV.
Das ist widersinnig. Im Kanton Zürich lebt jeder vierte Rentner in einem Haushalt, dessen Vermögen eine Million Franken übersteigt. Sollen begüterte Senioren eine 13. Rente bekommen? Das wäre falsch. Dass man aber für die zehn Prozent der Rentner, die armutsgefährdet sind, die AHV-Rente anhebt, scheint mir wie gesagt richtig. Aber mit der Giesskanne Milliarden verschleudern an Wohlhabende? Das ist sozialpolitischer Stuss.

Luzerner Zeitung