Michael Ferber hat zur Mindestzins-Empfehlung der BVG-Kommission Jérôme Cosandey befragt.

Aus liberaler Sicht stellt sich die Frage, wieso der BVG-Mindestzins politisch festgelegt wird. Schliesslich lassen sich Renditen am Kapitalmarkt nicht politisch verordnen.

Trotzdem hält sich der Schaden, der mit dem politisch festgelegten BVG-Mindestzinssatz verursacht werden kann, laut Jérôme Cosandey vom Think Tank Avenir Suisse in Grenzen. Es handelt sich schliesslich um einen Entscheid, der jedes Jahr revidiert werden kann.

Gravierender sei es, dass der BVG-Mindestumwandlungssatz ebenfalls politisch festgelegt wird und im Gesetz steht. «Die Renten, die auf diesem Satz beruhen, werden schliesslich über Jahrzehnte hinweg ausbezahlt.»

Cosandey weist zudem darauf hin, dass die Pensionskassen das System zumeist nicht ausreizen und durchaus gewillt sind, höhere Verzinsungen zu gewähren, wenn es ihre finanzielle Lage zulässt. Dies haben die vergangenen Jahre gezeigt – sogar nach dem schlechten Anlagejahr 2022 gewährten viele Kassen höhere Verzinsungen als die vorgeschriebenen 1 Prozent.

Viele Arbeitnehmer sind zudem in Sammelstiftungen versichert. KMU schliessen sich oft solchen Einrichtungen an, da sie zu klein sind, um eine eigene Pensionskasse zu führen. Solche Sammelstiftungen stehen im Wettbewerb um Anschlüsse mit Versicherten. Deshalb müssten sie attraktive Verzinsungen bieten, um attraktiv zu sein, sagt der Avenir-Suisse-Vertreter. Attraktive Verzinsungen bieten Pensionskassen auch eine Möglichkeit, etwaige Umverteilungen von aktiven Versicherten zu Rentnern abzubauen.

Da die Pensionskassen bei der Verzinsung der Guthaben in den vergangenen Jahren durchaus grosszügig waren, stellt sich umso mehr die Frage, weshalb es den BVG-Mindestzinssatz überhaupt braucht. Gerade für BVG-nahe Kassen kann er kontraproduktiv sein. Dabei handelt es sich um Pensionskassen, die vor allem Versicherte mit geringeren Löhnen haben und die nur das gesetzliche Minimum oder wenig mehr versichern.

  NZZ