image«Mehr bezahlen, weniger Rente»: Der Slogan gegen die Rentenreform führt in die Irre. Effektiv könnten viele von besseren Leistungen profitieren, schreibt Albert Steck in der NZZ am Sonntag.

“Sind die Pensionskassen eine Geldvernichtungs-maschine? Diesen Eindruck erweckt die Kampagne der Gewerkschaften gegen die Rentenreform. «Mehr bezahlen, weniger Rente!», lautet der Slogan – der offensichtlich verfängt. Innert kürzester Zeit haben die Gewerkschaften für das Re­ferendum 140 000 Unterschriften zusammengetrommelt. Damit kommt die BVG-Vorlage im nächsten Frühjahr zur Volksabstimmung.

«Ausgerechnet Arbeitnehmen­de mit tiefen und mittleren Löhnen müssten viel mehr bezahlen – für insgesamt weniger Rente», so kritisieren die Gewerkschaften. Sie rechnen vor, dass die Reform zu Rentenverlusten von bis zu 15% oder 3240 Fr. im Jahr führen würde. «Gerade Frauen sollen nach der Erhöhung des Rentenalters ein zweites Mal bezahlen», lautet der Vorwurf.

Das klingt nach einem miserablen Deal. Denn die Reform verschlingt auch eine riesige Summe Geld: 11,3 Mrd. Fr. müssten die Versicherten zusätzlich in die berufliche Vorsorge einzahlen. Und zwar in Form eines Lohnbeitrags von 0,24% während 15 Jahren. Die Pensionskassenreform, so scheint es, führt zu einem finanziellen Harakiri: Wozu sollen die Erwerbstätigen mehr Geld an die zweite Säule abliefern, wenn ihre Renten ja doch sinken? Oder gibt es vielleicht auch Gewinner? Und falls ja: Wer könnte profitieren?

«Zwar sinken die Renten für manche Versicherten», sagt Simon Tellenbach vom Finanzdienstleister VZ Vermögenszentrum. «Im Gegenzug aber hat das Parlament Rentenzuschläge eingeplant, die man insgesamt als grosszügig bezeichnen kann.» Auf Anfrage der «NZZ am Sonntag» hat das Unternehmen Beispiele von Versicherten zusammengetragen, die dank der Reform mit einer höheren Rente rechnen könnten. Der erste Fall betrifft eine 50-jährige Person, die in einem 50%-Pensum arbeitet und auf einen Jahreslohn von 45 000 Fr. kommt. Wird die Vorlage vom Volk angenommen, so steigt ihre Rente um 2585 Fr. pro Jahr (vgl. Grafik).

Wie ist ein solcher Rentenanstieg möglich, während die Re­formgegner doch vor einem Abbau warnen? Die Gewerkschaften beziehen sich bei ihren Beispielen auf die sogenannten Minimalkassen. Lediglich 10 bis 20% der Erwerbstätigen sind in einer solchen Kasse versichert, welche ihre Leistungen auf das gesetzliche Mi­nimum beschränkt. Konkret wenden diese Kassen einen Umwandlungssatz von 6,8% an – das heisst, pro 100 000 Fr. Alterskapital zahlen sie eine Jahresrente von 6800 Fr. Gemäss BVG-Reform soll dieser Satz nun auf 6% sinken, was ohne Kompensation eine Rentenkürzung von 12% bedeuten würde.

Wichtig ist aber: Die grosse Mehrheit, 80 bis 90% der Kassen, bietet Leistungen an, die über das BVG-Obligatorium hinausgehen. Diese Kassen haben den Umwandlungssatz schon bisher auf durchschnittlich 5,3% reduziert und dies mit zusätzlichen Sparbeiträgen kompensiert. Eine solche Senkung ist laut Tellenbach unumgänglich: «Seit Einführung des BVG im Jahr 1985 hat die Lebenserwartung ab dem 65. Altersjahr um 35% zugenommen. Falls eine Kasse das nicht über einen tieferen Umwandlungssatz ausgleicht, bedeutet dies, dass die Erwerbstätigen die Renten der Pensionierten querfinanzieren müssen.»

Das Schlagwort vom Renten­abbau gilt also primär für die Versicherten der Minimalkassen. Aber auch für diese Versicherten hat das Parlament vorgesorgt: Hier kommen nun die vom ­VZ-Experten als grosszügig ein­gestuften Rentenzuschläge ins Spiel. Vorgesehen sind die Zahlungen für eine Übergangsgeneration von insgesamt 15 Jahrgängen. Im besten Fall sind es 2400 Fr. pro Jahr. Der Betrag ist so abgestuft, dass ältere Erwerbstätige und solche mit wenig Alterskapital am meisten erhalten. Erst bei einem Vorsorgeguthaben von mehr als 441 000 Fr. geht man leer aus.

  Artikel Steck NZZ /   VZ-Studie