Rudolf Strahm nimmt in einer Kolumne für “Direkt” die schwierige Situation für viele Mieter auf dem Immobilienmarkt unter die Lupe. Nicht nur sind in vielen Landesteilen Wohnungen Mangelware, sie werden – der Zusammenhang ist logisch und direkt – auch teurer. Während aber vielfach bloss nach Regulierung und Unterstützung gerufen wird, bringt Strahm die wichtigsten Gründe für die aktuelle Situation aufs Tapet:

Der grösste, oft unbenannte Elefant – das eigentliche Kernproblem – ist die strukturelle Kluft zwischen Angebot und Nachfrage von Wohnungen. Im Jahr 2018 wurden in der Schweiz etwa 50’000 Neuwohnungen gebaut. Seither sinkt die Neubauzahl trotz starkem Bevölkerungswachstum, und sie wird nächstes Jahr auf rund 30’000 fallen, wie die Baugesuche als vorlaufendem Indikator aufzeigen. Das wird sich auswirken!

Sprachregelungen zur Umbenennung oder Verdrängung der Wohnungsnot sind eine Selbsttäuschung. Der oft zitierte Leerwohnungsbestand in einer Momentaufnahme kann täuschen, denn wenn die Mobilität gross ist, ist auch die momentane Leerwohnungsziffer wegen Teilrenovationen höher – trotz Knappheit.

Ein Elefant im Raum – ich benenne das Tabu – ist auch die Zuwanderung und die allgemeine demografische Entwicklung. Hohe Zuwanderung mit gleichzeitig sinkendem Neuwohnungsbau treibt auch die Mieten hoch. Man darf das nicht ausblenden. (Allerdings steht die Mieterseite recht machtlos da: Denn die Zuwanderung aus Europa wird aufgrund der bilateralen Verträge faktisch nur durch den Arbeitsmarkt gesteuert, und die Migration aus Drittstaaten faktisch durch die Gerichtspraxis.) 



Ein weiterer Elefant im Raum ist die Bauverzögerung und, als Folge, eine Bauverhinderung, durch Baulandhortung, Einzonungshürden und vor allem Einsprachen. Manchmal kommen die Einsprachen von Ämtern, manchmal von selbsternannten Naturschützer, aber am häufigsten durch andere Hauseigentümerinnen in der Nachbarschaft. So paradox es tönt, die benachbarten Hauseigentümer (und HEV-Mitglieder!) sind wohl zahlenmässig die häufigsten Bauverzögerer mittels Einsprachen.

Ein Tabu unter Linken und beim Mieter- und Mieterinnenverband, der in der deutschen Schweiz von Grünpolitikern beherrscht wird, ist auch die Einzonung von neuem Wohnbau- und Industriebauland. Die Baulandverknappung führt dazu, dass heute die Bodenkosten bei Neubauten 40 bis 50 Prozent ausmachen – in Frankreich 10 bis 15 Prozent! Die fehlenden Bauland-Zonen zwingen im Effekt zu mehr Abrissen zugunsten viel teurerer Neubauten mit höheren Nutzungsziffern. Man pflegt lieber den Weltkrieg-Versorgungs-Mythos mit dem Erhalt von landwirtschaftlichen Fruchtfolgeflächen statt neue Wohnzonen, obschon gut möblierte Wohnquartiere nachweislich eine grössere, reichere biologische Vielfalt aufweisen als etwa die Mais- und Rapsfelder nebenan.

Die grün-rhetorische (Aus-)Flucht nach vorn, man müsse halt mehr verdichtet bauen, ist nicht das Anliegen der Mieterseite: Denn erstens ist verdichtender Renovationsbau in den Städten in der Regel massiv teuer. Und zweitens ist verdichtetes Bauen (Hochhäuser) in Neuquartieren oft familienfeindlich: keine oder zu schmale Grünflächen, ungenügende Kinderspielplätze, fehlende Garagen- oder Abstellplätze für die Kindervelöli, Wägeli, Anhänger, Snowboards und andere Sportgeräte der Familien. Die aktuelle, verdichtete Siedlungsbau-Planung der Städte ist nicht kinder- und familienfreundlich!

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