Hansueli Schöchli nimmt – sehr berechtigt – die zahllosen laufenden Meinungsumfragen kritisch unter die Lupe, konkret jene von Groupe Mutuel und Le Temps zur Altersvorsorge, welche nicht ganz überraschend eine Mehrheit für die 13. AHV-Rente und eine kleine Minderheit für die Erhöhung des Rentenalters ergaben. Schöchli schreibt dazu:
«Sind Sie dafür, dass sich Ihr Leben künftig verbessert?» Nicht nur Hellseher ahnen, ob die Volksmehrheit in der Schweiz diese Frage eher bejahen oder verneinen würde. Das gilt auch für folgende Frage: «Sind Sie dafür, dass sich Ihr Leben künftig verschlechtert?» Und für diese Frage: «Sind Sie für eine bessere Welt?»
Die Belästigung der Bevölkerung mit solchen Erhebungen könnte man sich deshalb schenken. Trotzdem laufen manche Fragen der Meinungsforschung im Kern auf eine der genannten Fragestellungen hinaus. Die jüngste Illustration lieferte diese Woche die Krankenkasse Groupe Mutuel mit der Publikation einer Umfrage des Instituts M. I. S. Trend über die Altersvorsorge.
Unter anderem sagten dabei 62 Prozent, dass sie sicher oder wahrscheinlich für die gewerkschaftliche Volksinitiative stimmen werden, die eine 13. AHV-Monatsrente verspricht – was faktisch einer Erhöhung der AHV-Renten für alle um 8,3 Prozent entspricht. Skepsis meldeten 26 Prozent an. Der Fall für den Urnengang vom nächsten Jahr zu dieser Volksinitiative erscheint also klar.
Das Überraschende an diesem Ergebnis ist nicht die klare Ja-Mehrheit, sondern dass rund ein Viertel der Befragten Skepsis zeigte. Denn eigentlich können ja nur Masochisten und Unmenschen gegen höhere Renten sein, die niemandem weh tun. Die Fragestellung suggerierte das Gleiche wie das Initiativkomitee: Das Geld für die höheren Renten fällt vom Himmel. Die meisten Bürger sind zwar nicht so naiv, um dies zu glauben. Aber ohne Verweis auf Kosten und deren Verteilung neigt man zum Verdrängen des Unbequemen: Klingt ein Vorstoss sympathisch, sagt man in einer Umfrage gerne rasch Ja. (…)
Auch bei der neusten Volksinitiative zu höheren AHV-Renten hat eine Meinungsumfrage nur dann Aussagekraft, wenn die Befragten eine gewisse Ahnung über Kosten und Zielkonflikte haben. Sie sollten zum Beispiel wissen, dass die Vorlage die AHV laut Bundesschätzung pro Jahr zusätzlich 4 bis 6 Milliarden Franken kosten würde und damit die künftigen Defizite des Sozialwerks ohne Gegenmassnahmen noch massiv steigert.
Die Bürger sollten auch wissen, dass die Erhöhung der AHV-Renten finanziell zum Beispiel wie folgt finanzierbar wäre: Erhöhung des ordentlichen Rentenalters von 65 auf mindestens 66, Erhöhung der Mehrwertsteuer um etwas über einen Prozentpunkt oder Erhöhung der Lohnabzüge um etwa einen Prozentpunkt.
Die Bürger sollten auch wissen, dass je nach Art der Finanzierung die Lastenverteilung unterschiedlich ausfällt. Bei Erhöhung der Lohnabzüge zahlen vor allem die Jüngeren. Bei Erhöhung der Mehrwertsteuer gilt dies ebenfalls, aber in etwas abgeschwächter Form, weil auch die Rentner betroffen sind. Eine Erhöhung des ordentlichen Rentenalters verteilt die Kosten derweil eher gleichmässig auf alle Jahrgänge im Erwerbsalter (die Rentner zahlen aber nichts).