Woran niemand gezweifelt hat, ist eingetroffen. Nein, nicht der klimabedingte Weltuntergang, der kommt später, sondern das Referendum gegen die BVG-Reform. Dass genügend Politik-Konsumenten, weichgekocht nach Jahrzehnten täglicher TV-Werbung, auf einen Slogan wie «mehr bezahlen für weniger Rente» hereinfallen würden, kann keine Überraschung sein.

Nun ist definitiv, dass es im März kommenden Jahres zum grossen sozialpolitischen Showdown kommt. Wer sich dem gewerkschaftlichen Angriff auf die Reform entgegenstellen wird, ist noch ungeklärt.

Immerhin haben gleichzeitig mit der SGB-Erfolgsmeldung Arbeitgeberverband und ASIP tapfer kundgetan, dass sie für die Reform einstehen. Beim ASIP allerdings mit einer bedeutsamen Nuance. Nicht der Verband, so bemerken wir, sondern der Vorstand des Verbands ist dafür, was nicht nur formell zu unterscheiden ist. Der ASIP hat im Frühjahr eine Mitgliederbefragung durchgeführt und darüber an der Jahresversammlung kursorisch, sprich eher vage, informiert.

Auch jetzt fehlen noch Zahlen. Allerdings ist zu erfahren, dass das Resultat gemischt war, d.h. grosse Zustimmung zur Anpassung des Sparprozesses und starke Ablehnung der Kompensationsmassnahmen, was der Vorstand in der Gesamtbeurteilung als Pattsituation einstuft.

Ein echtes Patt würde vorliegen, wenn Sparprozess und Kompensationsmassnahmen gleichwertig wären. Sie sind es aber nicht, vor allem nicht aus der Sicht eines Fachverbands. Der Sparprozess, konkret die starke Ausweitung der obligatorisch BVG-Versicherten im Tieflohnbereich, ist ein politischer Entscheid. Die bürgerliche Parlamentsmehrheit wollte nicht zuletzt mit Blick auf die Wahlen damit punkten. Für die Pensionskassen bedeutet es eine Erweiterung der Versichertenbasis, was insbesondere der Assekuranz nicht ungelegen kommen dürfte.

Anders sieht es bei den Kompensationsmassnahmen aus, welche den Kassenverantwortlichen schon heute Kopfschmerzen bereiten. Durchführungstechnisch ist die Vorlage für die Betroffenen eine Zumutung. «Schlechtes Handwerk» ist eine eher zurückhaltende Formulierung für die Arbeit des Parlaments, das es besser zu wissen glaubte als die beratenden Fachleute.

An diesem Punkt kommt die Kompetenz der Kassen zum Tragen, und hier ist ihre Beurteilung massgeblich, anders als bei den politischen Aspekten. Nun wird aber vom Verband vorwiegend politisch argumentiert, das zentrale technische Element der Vorlage bei der Bewertung hingegen praktisch übergangen. Dabei wäre dem ASIP zu raten, sich auf die technischen Aspekte zu konzentrieren und dazu eine klare Auslegeordnung vorzunehmen. Mit politischen Argumenten macht er sich unnötig angreifbar.

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Indessen kann die gebremste Begeisterung der Befürworter nicht darüber hinwegtäuschen, dass jene, die jetzt so tun, also ob sie für diese Reform seien, in vielen Fällen doch eher dagegen sind. Und die Linke, welche schon triumphierend das Scheitern der Reform prophezeit, im Grunde dafür ist oder dafür sein müsste.

Denn wir haben eine ziemlich linke Vorlage, die aber von rechts kommt, und die Linke muss dagegen sein, weil sie das nicht erfunden hat und ganz andere Ziele verfolgt. Und die Rechte muss, etwas mürrisch und wenig motiviert, eine Vorlage unterstützen, die ihr eigentlich keine Freude macht. Das vielgehörte Argumenten «etwas Besseres bekommen wir nicht» ist kein Aufsteller und als Argument in einer Volksabstimmung wohl eher kontrapduktiv.

Ob der Begriff der kognitiven Dissonanz der Sachlage einigermassen gerecht wird, überlasse ich den Kennern semantischer Feinheiten. Jedenfalls tönt er gut und bietet sich als gediegener Abschluss dieses Kommentars an, womit wir übergangslos unseren geschätzten Leserinnen und Lesern schöne Sommertage und erholsame Ferien wünschen. Wir lesen uns wieder in drei Wochen.

Peter Wirth, E-Mail