Die Unterschiede bei der Rentenhöhe für Männer und Frauen in der beruflichen Vorsorge werden gerne und verbreitet als ungerecht bezeichnet. Für mehr Gerechtigkeit soll die Idee eines Rentensplittings sorgen. Hansueli Schöchli orientiert in der NZZ über die damit verbundenen Vorschläge und Probleme.

Ein generelles Splitting in der beruflichen Vorsorge wäre allerdings administrativ aufwendiger als in der AHV. Dies hatte der Bundesrat schon 2018 in seiner Antwort auf eine Anfrage aus dem Parlament betont. So gibt es in der zweiten Vorsorgesäule keine zentrale Institution wie die AHV, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Pensionskassen und Vorsorgepläne. Die Versicherten wechseln im Lauf ihres Erwerbslebens oft die Vorsorgeeinrichtung, und Ehepartner sind meist in unterschiedlichen Einrichtungen versichert.

Mit höheren Verwaltungskosten wäre somit zu rechnen. Einfacher wäre ein Modell, in dem das gesamte Alterskapital bei der Pensionierung halbiert würde statt «nur» das während der gemeinsamen Zeit erarbeitete Kapital. Ob man dies will, ist aber ein andere Frage.

Die Nationalratskommission will es zudem noch komplizierter machen: Sie regt an, ein allfälliges Splitting nicht am Zivilstand festzumachen, sondern an der Existenz von Kindern; statt für alle Verheirateten würde damit das Splitting für alle Eltern unabhängig vom Zivilstand gelten. Das wäre laut Fachleuten eine zusätzliche Herausforderung, zumal beliebig komplizierte «Patchwork-Familien» vorstellbar sind.

Aber man kann ein Splitting politisch wollen und höhere Verwaltungskosten in Kauf nehmen. Die Einführung eines Splittings könnte allerdings auch erhebliche inhaltliche Konsequenzen haben. Meint man es ernst mit der individuellen Betrachtung von Ehepartnern oder Eltern, wäre konsequenterweise die Witwenrente von 60 Prozent der Altersrente abzuschaffen. Bei hälftiger Aufteilung der Altersrente hätten somit die Frauen als Witwe nur noch 50 Prozent statt 60 Prozent.

Das gäbe Einsparungen für die zweite Säule. Die Pensionskassenexperten Fabian Thommen und Martin Wechsler hatten 2020 in ihrem Modell eines Ehepartner-Splittings vorgerechnet, dass der Wegfall der Witwenrente eine generelle Erhöhung der Altersrenten um etwa 13 Prozent ermöglichen würde. Der Pensionskassenexperte Stephan Wyss von der Zürcher Beratungsfirma Prevanto bezifferte am Dienstag auf Anfrage die Differenz auf 7 bis 8 Prozent.

Mit der Abschaffung der Witwenrente würde die versteckte Umverteilung von den Ledigen zu den Verheirateten wegfallen. Im Durchschnitt sind verheiratete Frauen etwa drei Jahre jünger als ihre Ehepartner, und die Lebenserwartung liegt bei den Frauen etwa drei Jahre höher als bei den Männern.

Bei der Berechnung der Jahresrente auf Basis des angesparten Kapitals müssen Pensionskassen also damit kalkulieren, dass bei verheirateten Männern im Mittel noch sechs Jahre lang eine Witwenrente zu zahlen ist. Ledige sind deshalb für die Vorsorgeeinrichtungen im Mittel deutlich billiger, doch sie haben trotzdem keine höhere Rente als Verheiratete mit gleichem Vorsorgekapital. So wären bei einem Wegfall der Witwenrente generell die Ledigen die Gewinner und die Verheirateten die Verlierer.

  NZZ / Vorschläge Wechsler / Pro SinglePostulat NR