Fabian Schäfer schreibt in der NZZ: Ein wichtiger Eckpunkt der Pensionskassenreform steht fest: Für Angestellte mit tieferen Löhnen wird die Vorsorge stark ausgebaut – sehr zum Ärger von Tieflohnbranchen.

Ist das nun die Entscheidung? Seit zweieinhalb Jahren nimmt die Debatte über die nächste Rentenreform den Berner Politbetrieb in Beschlag. Ungefähr achtzig Stunden lang haben National- und Ständerat bisher über die Vorlage zur beruflichen Vorsorge (BVG) diskutiert. Am Donnerstag kam es zu einer mutmasslich entscheidenden Weichenstellung: Der Ständerat hat sich in der heftig umkämpften Frage, welcher Teil des Lohns zwingend via Pensionskasse für das Alter auf die hohe Kante gelegt werden muss, dem Nationalrat angeschlossen.(…)

Genau hier liegt, abstimmungstaktisch betrachtet, wohl der springende Punkt. Betroffene Branchen haben im Vorfeld über ihre einflussreichsten Repräsentanten – über den Gewerbe- und den Bauernverband – klargemacht, dass ihnen dieser Ausbau der zweiten Säule zu weit geht. Anfang Woche warnte der Präsident des Gewerbeverbands Fabio Regazzi (Mitte) davor, dass viele Betriebe sich eine solche Verteuerung der Arbeit nicht leisten könnten.

So kraftvoll Gewerbler und Bauern in Bern oft Einfluss nehmen, dieses Mal sind sie abgeblitzt. Im Ständerat stiessen ihre Bedenken nur bei einer Minderheit auf offene Ohren. «Wenn wir so weitermachen, dann dürfte die Reform scheitern», sagte der FDP-Ständerat Damian Müller warnend. Er prophezeite, die Zustimmung breiter Kreise der Wirtschaft werde der Vorlage abhandenkommen.

Da die Gewerkschaften und die linken Parteien die Reform ohnehin bekämpfen, dürfte es dadurch erst recht schwierig werden. Ob die Landwirtschaft und das Gewerbe offen gegen die Vorlage ankämpfen oder einfach nur abseitsstehen werden, ist unklar. In beiden Fällen stellt sich die Frage, wie die Befürworter im Abstimmungskampf die linke Nein-Kampagne kontern können, wenn die Wirtschaft selbst gespalten ist.

Für die skeptischen Branchen kann es im weiteren Verlauf der Parlamentsdebatten eigentlich nur noch schlimmer werden. Beim zweiten grossen Streitpunkt haben sie im Ständerat ebenfalls kein Gehör gefunden. Es geht dabei um die Eintrittsschwelle, die festlegt, ab welcher Lohnhöhe jemand zwingend BVG-versichert sein muss. Heute liegt sie bei 22 000 Franken, der Ständerat will sie auf 17 600 Franken senken. Damit würden laut amtlichen Schätzungen 140 000 Personen neu in das Pensionskassensystem aufgenommen werden.

  NZZ