imageFabian Schäfer, Bundeshausredaktor der NZZ,  unterstützt in seinem Kommentar den Entscheid des Parlaments zur BVG-Reform.

Vor vier Jahren sah die Welt anders aus, da strahlten mächtige Männer in Bern um die Wette. In diskreten Vorgesprächen zur Pensionskassen-Vorlage kam der Arbeitgeberverband den Gewerkschaften derart weit entgegen, dass manche Kritiker spöttisch fragten, ob bald die Fusion bevorstehe. Die Verbände einigten sich tatsächlich darauf, im BVG systemfremde Milliardentransfers à la AHV einzuführen: dauerhaft, ungezielt, zulasten der Jungen. Logisch, dass Bundesrat Alain Berset den Steilpass freudig aufnahm. Der Sozialdemokrat hätte kaum je eine solche Umverteilungsparty durch den Bundesrat gebracht, wären nicht die Arbeitgeber an Bord gewesen.

Von solchen Ideen ist man heute zum Glück weit entfernt. Das Ergebnis des Prozesses ist wesentlich besser als sein Ursprung, auch wenn es immer noch einiges auszusetzen gibt. Die Vorlage geht in zwei zentralen Fragen sehr weit: Erstens sieht sie bewusst «Ausgleichsmassnahmen» auch für Angestellte vor, bei denen es gar nichts auszugleichen gibt. In der 15-jährigen Übergangsgeneration erhalten Personen Rentenzuschläge, die durch die Reform keine Nachteile erleiden.

Es ist ein Leistungsausbau aus heiterem Himmel, für eine zufällig definierte Generation der Glücklichen, finanziert von jüngeren Arbeitskollegen und der Allgemeinheit. Das mag die Chancen an der Urne verbessern, überzeugend aber ist es nicht. Das Parlament hat in dieser Frage mit wachsender Verzweiflung eine zielgerichtete Lösung gesucht. Doch leider werden auch so nicht zwingend jene profitieren, bei denen es angezeigt wäre.

Problematisch ist zweitens der Ausbau des Zwangssparens für tiefere Löhne, das teuerste Element der Vorlage. Aus bis heute nicht restlos geklärten Gründen hat sich hier mithilfe der SVP eine expansive Lösung durchgesetzt, die den Bauernverband definitiv auf die Barrikaden getrieben hat. Damit ist klar, dass die Wirtschaft im Abstimmungskampf nicht geeint auftreten wird, auch Teile des Gewerbes dürften fehlen oder ausscheren. (…)

Nun mäkeln viele, die Reform werde an der Urne ohnehin abstürzen. Dieses Risiko ist gross, das stimmt. Doch die Vorlage ist nicht chancenlos. Sonst wären die Bauern nicht so nervös. Entscheidend ist, dass es glaubwürdige Kräfte gibt, die auch im Abstimmungskampf noch hinstehen und den Gewerkschaften die Stirn bieten. Die Zusammenarbeit der sozialpolitischen Allianz der Pragmatischen hat gerade erst begonnen.

  NZZ