pw. Eines der Kernthemen bei der Behandlung der Rentenreform bildet für NZZ-Redaktor Hansueli Schöchli die Umverteilung und ganz besonders deren mehr oder weniger raffiniert camouflierte Variante. Er findet dabei unsere ungeteilte Unterstützung. In der NZZ-Ausgabe vom 11.3.2023 greift er sie unter einem neuen Aspekt auf: der Rolle der Medien, die mit Links und Gusto beim Versteckspiel mitmachen.

So neigen manche Medienvertreter dazu, auf einem Auge blind zu sein – und mehr sind auf dem linken Auge blind. In der Altersvorsorge stossen deshalb die linken PR-Kampagnen über «Grosszügigkeit» bei den Renten contra «Knausrigkeit» ebenso wie über die angebliche «Rentenlücke» bei den Frauen auf mediale Resonanz.

Bei einer Reduktion der Renten ist im gängigen Mediendiskurs im Sinne der Linken typischerweise von einem (Sozial-)Abbau die Rede, der nach Kompensationen ruft, und nicht von einer längst überfälligen Senkung von Privilegien zwecks Entlastung der Jüngeren.

Im Kern geht es in der Altersvorsorge um das Gleiche wie in der Klimapolitik: Wollen wir den Jüngeren ein geordnetes Haus hinterlassen? Während in der Klimapolitik diese Sichtweise in den Medien gängig ist, ist «Nachhaltigkeit» in der Altersvorsorge, die ohne Anbindung des Rentenalters an die Lebenserwartung kaum machbar ist, kein populäres Thema.

In der Klimapolitik ruft Nachhaltigkeit nach Staatsinterventionen (am besten höhere Lenkungsabgaben). In der Altersvorsorge ruft Nachhaltigkeit nach Subventionsabbau, höherem Rentenalter und mehr Selbstverantwortung – also nach dem Gegenteil von linken Anliegen.

Ein zweites Kernelement hinter den Medientendenzen ist geschäftliches Kalkül: So wie die Politiker mehrheitlich von älteren Wählern leben, leben die traditionellen Medien mehrheitlich von älteren Kunden. Es ist ein schlechtes Geschäftsmodell, seine wichtigste Kundengruppe zu verärgern – indem man ihr sagt, dass sie zulasten der Jüngeren subventioniert sei und die Subventionen zu senken wären. Anbiederung ist die höchste Kunstform der Beleidigung, aber die Medien setzen darauf, dass das Publikum dies nicht merkt.

Ein drittes Kernelement ist die Komplexität der Vorsorgesysteme. Wer deren Mechanik verstehen will, muss mehr lesen als nur das Communiqué einer Gewerkschaft oder Partei.

Doch Journalisten handeln wie die meisten Menschen in eigener Sache in der Regel ökonomisch: Es geht darum, mit einem minimalen Aufwand den maximalen Ertrag zu erzielen. Bei den Journalisten hiesse dies maximale Aufmerksamkeit (moderner: möglichst viele Klicks).

Die moralischen Standards sind in der Tendenz bei Journalisten nicht höher als bei Bankern, Wirtschaftsanwälten oder Autohändlern. Das ist kein Skandal. Es ist stattdessen normal.

So wäre es unlogisch und vermessen, anzunehmen, dass Journalisten irgendwie «bessere» Menschen wären als andere Berufsleute. Doch einer Branche, die besonders gerne mit dem Moralfinger auf andere zeigt, würde es gut anstehen, diesen Finger ab und zu auf sich selber zu richten.

  NZZ