imageWer in der Verwaltung arbeitet, verdient mehr als in der Privatwirtschaft. Der durchschnittliche Jahreslohn in der Bundesverwaltung beträgt rund 120’000 Franken für eine Vollzeitstelle. In der Privatwirtschaft beträgt der Durchschnittslohn 90’000 Franken. Doch jetzt gibt eine Lohnstudie des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) einen präziseren Einblick in die unterschiedlichen Lohnstrukturen.

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Die Autoren der Studie verglichen dabei «statistische Zwillinge», also Personen mit dem gleichen Alter, Geschlecht, Ausbildung und weiteren identischen Merkmalen miteinander. Die Resultate zeigen: Im Mittel verdient ein Bundesangestellter rund 14’000 Franken oder 12 Prozent mehr als sein «statistischer Zwilling» in der Privatwirtschaft. Damit erhält er quasi einen 14. Monatslohn. Eine solche Lohnprämie der Bundesangestellten – in der Forschung als Public-Private-Pay-Gap beschrieben – bleibt nicht ohne Folgen für den Arbeitsmarkt. Der «Nebelspalter» hat mit dem Mitautor und Direktor des IWP, Prof. Christoph Schaltegger über die Folgen gesprochen. Auszüge:

In der Vergangenheit war zu lesen, dass gerade Bundesangestellte von einer automatischen Lohnerhöhung profitieren. Welche Rolle dürfte dies spielen?
Wir kennen nur das Gesamteinkommen und können keine Rückschlüsse ziehen, inwiefern diese auf automatische Lohnerhöhungen zurückgehen. Mit Einführung des New Public Management hat die Bundesverwaltung versucht, Kriterien zur Produktivitätsmessung ihrer Mitarbeitenden anzulegen. Dem Bund sollte damit ein unternehmerischer Anstrich verpasst werden. Daran geknüpft sind Lohnerhöhungen der Bundesangestellten.

Gemäss einer «NZZ» Studie aus dem Jahr 2020 arbeiten nach diesem Bewertungssystem (Stufe 1-4) 96 Prozent der Bundesangestellten so gut, dass sie eine Lohnerhöhung von mindestens 1.5 Prozent bis zu  4 Prozent erwarten dürfen. Lohnstagnation oder gar -kürzung kommt kaum  vor. Generelle Lohnerhöhungen – beispielsweise im Rahmen von Teuerungsausgleichen – sind hier ausgenommen. Beziehen wir diese mit ein, dann kommen – exemplarisch genannt – Erhöhungen von aktuell 2.5 Prozent für das Jahr 2023 hinzu.

Zu welchen Problemen führt dieser Unterschied von 11,6 Prozent?
Die möglichen Konsequenzen sind vielfältig. Die Kosten tauchen früher oder später auf der Steuerrechnung auf. Ein äusserst attraktiver öffentlicher Sektor verzerrt nicht nur die Entscheidungen im Arbeitsmarkt, sondern bereits Ausbildungsentscheidungen. Vorausschauend denkende Menschen überlegen bereits bei der Berufs- und Studienwahl, wo sie zukünftig arbeiten wollen.

Für die USA und für das Vereinigte Königreich haben Studien gezeigt, dass Personen auf Arbeitssuche eine längere Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen und auf eine Stelle beim Staat warten, als dass sie Stellen in der Privatwirtschaft annehmen.In der Folge bleiben Stellen bei privaten Unternehmen länger unbesetzt und/oder die Unternehmen müssen höhere Löhne bezahlen, um Arbeitnehmer anzulocken. Innovationen entstehen in der Privatwirtschaft. Wenn es Akademiker vermehrt zum Staat zieht, kann künftig die Innovationskraft der Wirtschaft leiden.

Ebenfalls findet sich im Tieflohnbereich und für Ältere und Teilzeitangestellte die höchste Lohnprämie. Gehört dies in einer gewissen Weise zum «sozialen Ausgleich» des Staates, dass er diesen Randgruppen eine hohe Lohnprämie bietet? Wie lässt sich dieser Unterschied erklären?
Zunächst bestätigt die Schweiz hier die internationale Literatur: Lohnverteilungen im öffentlichen Sektor sind tendenziell stärker komprimiert als in der Privatwirtschaft. Beim Staat werden keine «Abzocker-Löhne» gezahlt und für die Reinigungskraft (falls die Leistung nicht von einem externen Unternehmen eingekauft wird) wird der Lohn nicht so stark gedrückt wie in der Privatwirtschaft.

Man darf aber einen Aspekt nicht vergessen: Bei einem Jahresgehalt im sechsstelligen Bereich gewinnt die Work-Life-Balance an Bedeutung. Dabei geht es um flexible Arbeitszeiten, weniger Stress am Arbeitsplatz oder die Möglichkeit von reduzierten Pensen. Wie hoch wäre die Verwaltungslohnprämie, würde man diese Annehmlichkeiten in Einkommen umrechnen? Es gibt keine empirische Evidenz dazu. Es ist allerdings zu vermuten, dass die Lohnprämie im Hochlohnbereich eher steigt.

Wie lange verträgt eine Gesellschaft diesen Trend? Läuft es darauf hinaus, dass «alle irgendwann beim Staat arbeiten wollen»?
Wie viele es «verträgt» ist nicht einfach zu beantworten. Letztlich ist es ein politischer Entscheid, den die Gesellschaft fällen muss. Im internationalen Vergleich hat die Schweiz einen effizienten und leistungsfähigen Staat. Nur ist erstens damit zu rechnen, dass die Leistungsfähigkeit und Effizienz in einem grossen Staatswesen fallen.

Selbst marktwirtschaftlich orientierten Unternehmen fällt es schwer, bei wachsender Grösse nicht träge zu werden. Hinzu kommt, zweitens, dass auch die Steuerlast zur Finanzierung des Staates steigen muss, und drittens verbleiben weniger hochqualifizierte und innovative Arbeitskräfte in der Privatwirtschaft, welche die Steuerlast schultern muss.

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