image_thumb[4]Gregory Nöthiger beschäftigt sich im Schweizer Monat mit der offenkundigen und dringenden Fragen, wie das Niveau unserer Altersvorsorge gehalten werden kann, wenn verbreitete nur noch 80 oder gar 60 Prozent einer Vollbeschäftigung gearbeitet wird.

Wenn immer mehr Menschen weniger arbeiten wollen und bereit sind, niedrigere Gehälter in Kauf zu nehmen, verstärkt dies die bereits bestehenden Pro­bleme unseres Pensionssystems. Die Leute werden älter – und das ist auch gut so. Moderne Medizin, gesündere Lebensstile und weniger gefährliche Arbeiten bewirken, dass die Menschen mehr Lebenszeit zur Verfügung haben.

Die Schweizerinnen und Schweizer haben aber auch immer weniger Kinder. Und hierin liegt bekanntlich die grosse Schwäche des Umlageverfahrens der AHV. Immer weniger Arbeitstätige müssen eine grös­sere Anzahl Rentenbezüger finanzieren. Die erste Säule der Vorsorge kommt also rein demografisch an ihre Grenzen, wenn sie nicht reformiert wird.

Die starke Mittelschicht, die das Fundament für den Erfolg der Schweiz ist, hat scheinbar keine Anreize mehr, so viel wie unsere Vorfahren zu arbeiten. Es geht uns ja gut … Work-Life-Balance ist sicher wichtig; auch wenn ein vielbeschäftigter Arzt der alten Garde mal meinte, dass «work part of life» sei und dieses Konzept daher nicht realistisch sei. Durch die geringeren Arbeitsstunden und freiwilligen Lohneinbussen werden weniger Beiträge in die Vorsorge eingezahlt; übrigens auch in die eigene Pensionskasse.

Die bereits stark angeschlagene AHV wird dadurch weiter beeinträchtigt, aber weit schlimmer trifft es die Pensionskassen. Das Anlagekapital, welches im Kapitaldeckungsverfahren individuell angespart wird, setzt stark auf die Zinserträge und Zinseszinseffekte. Die exponentielle Entwicklung dieser Effekte, welche das Kapital bei einem langen Anlagehorizont besonders stark vermehren, reduziert sich durch die tieferen Einzahlungen enorm. Das mangelnde Bewusstsein für diese Effekte schafft ein Ungleichgewicht, das langfristig zu einem finanziellen Loch führen wird. Im schlimmsten Fall bricht das System der Altersvorsorge zusammen. (…)

Eine Diskussion über die Zukunft unserer Altersvorsorge und der Arbeitszeitmodelle ist dringend notwendig. Dabei sollte die Palette möglicher Konsequenzen und Lösungen offengehalten werden. So könnte auch die Einführung einer 4-Tage-Woche eine Option sein, analog der historischen Entwicklung zum heutigen Standard der fünf Arbeitstage. Dies setzt aber gesellschaftliche Akzeptanz, einen gleichbleibenden oder gar steigenden Output durch höhere Produktivität und eine Flexibilisierung der Arbeitstage voraus.

Auch könnte dies die Schweiz in der heutigen globalisierten Welt nicht im Alleingang meistern. Zudem müssten Anpassungen an der Altersvorsorge diskutiert oder alternative Ansätze zur Sicherung der finanziellen Zukunft gefunden werden. Der Status quo ist jedenfalls aufgrund der stark veränderten Ausgangslage keine Option. Angesichts des veralteten Vorsorgesystems und der gleichzeitig massiv veränderten gesellschaftlichen Bedürfnisse werden systemische Anpassungen erfolgen müssen.

  Schweizer Monat