In einem Interview mit CHSS beschreibt Doris Bianchi, Direktorin der Publica, die Bemühungen der Kasse um Ausbau der ESG-Kriterien und die Anpassungen der Anlagestrategie zur Verbesserung der Rendite. Aktuell liegt der Deckungsgrad der Publica bei 96 Prozent.
Die Publica setzt seit Kurzem stärker auf Sachwerte und Aktien und weniger auf Obligationen. Kommt diese neue Anlagestrategie angesichts der steigenden Zinsen nicht etwas spät?
Auch bei der neuen Anlagestrategie sind die Obligationen weiterhin jene Anlagekategorie mit dem höchsten Gewicht. Für die Periode ab 2022 haben wir das Szenario einer Stagflation – also einer grösseren Inflation
verbunden mit einem reduzierten Wirtschaftswachstum – stärker gewichtet als früher. In diesem Szenario macht es Sinn, vermehrt auf Sachwerte zu setzen, da diese grundsätzlich den besseren Inflationsschutz bieten als Obligationen. Das Gesamtportfolio wird durch die Anlagestrategieanpassung ausgeglichener.
Zu den Sachwerten zählen auch Infrastrukturanlagen. Worauf legen Sie den Fokus in dieser neuen Anlagekategorie?
Ein Augenmerk legen wir zum Beispiel auf erneuerbare Energien. Von den Infrastrukturanlagen im Umfang von rund 1,2 Milliarden Franken legen wir die Hälfte in Fonds an, die andere Hälfte investieren wir – gemeinsam mit anderen institutionellen Anlegern – direkt.
Ende 2022 waren 16 Prozent des Vorsorgevermögens – also rund 6 Milliarden Franken – in Immobilien investiert. Neu sind sogar bis 18 Prozent möglich. Was macht Immobilien so attraktiv?
Immobilien sind eine stabilisierende Anlageklasse, die einen steten Cash-Flow generieren. Das ist für eine Pensionskasse wie Publica ideal. Gerade in der Schweiz, wo die Nachfrage nach Wohnliegenschaften gross ist, haben
Immobilien in den vergangenen Jahren stark performt.
Mehr als die Hälfte der Immobilienanlagen befindet sich im Ausland. Warum?
Publica investiert erst seit 20 Jahren in Immobilien. Weil das Angebot auf dem Schweizer Immobilienmarkt seit der Jahrtausendwende knapp ist und wir nicht bereit sind, jeden Preis zu zahlen, investierten wir auch im Ausland. So können wir zudem das Anlagerisiko besser diversifizieren.
Laut dem Anlagereglement von Publica berücksichtigen Sie auch ökologische, ethische und soziale Aspekte – sofern diese das Erreichen der Vorsorgeziele nicht beeinträchtigen. Kommt Rendite also vor Nachhaltigkeit?
Wir richten unsere Anlagestrategie nach den Vorgaben des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG). Dieses schreibt vor, dass wir eine marktübliche Rendite erwirtschaften müssen. Wir können daher nicht willentlich auf eine Rendite verzichten. Wir sind der Überzeugung, dass es in vielen Bereichen nicht eine Entweder-oder-Situation ist, entweder Rendite oder Nachhaltigkeit, sondern eine Sowohl-als-auch, indem wichtige Risiken und Opportunitäten identifiziert werden. Uns ist verantwortungsvolles Investieren sehr wichtig, weshalb wir seit acht Jahren eine anlagenübergreifende Nachhaltigkeitsstrategie anwenden.
Welche Verbesserungen haben Sie bereits erreicht?
Zunächst schlossen wir 2016 Kohleproduzenten aus unserem Anlageuniversum aus. Grundlage dafür war eine Risiko-Rendite-Analyse. Bei den Aktien richten wir uns heute zudem nach einem klimaeffizienten Aktienindex, der für jedes Unternehmen Risiken und Chancen aufzeigt. Bei den Immobilien in der Schweiz wiederum, die wir direkt bewirtschaften, werden wir die Treibhausgasemissionen in den nächsten zwölf Jahren gegenüber dem Jahr 2019 halbieren. Zum verantwortungsbewussten Investieren zählen nebst Umweltaspekten aber auch die Einhaltung einer Good Governance und von Sozialstandards. Diese Themen werden im Dialog mit den Unternehmen angesprochen. Staatsanleihen bewerten wir seit kurzem mithilfe eines Demokratieindexes. Länder, die gegen grundlegende demokratische Prinzipien verstossen, werden wir künftig nicht mehr in unser Anlageuniversum aufnehmen.
Ende 2022 fanden sich dort noch Staatsanleihen von Ländern wie China, Saudi-Arabien und Katar – alles keine Vorzeigedemokratien…
Die Anwendung des Demokratieindex befindet sich erst seit 2023 in der Umsetzungsphase. Die Umschichtung erfolgt gestaffelt über die Zeit.
Der Deckungsgrad von Publica belief sich Ende 2022 auf tiefe 96 Prozent. Inwiefern stellt dies ein Problem dar?
Das ist eine schwierige Situation. Die Zinswende hat zu hohen Bewertungsverlusten der Obligationen geführt. Da die Unterdeckung konjunkturell bedingt ist, sind für das Jahr 2022 keine Sanierungsmassnahmen beschlossen worden. Aber die Zeit tickt: Wir müssen innert fünf Jahren einen Deckungsgrad von 100 Prozent erreichen. Klar ist: Der tiefe Deckungsgrad hat eine tiefere Verzinsung des Vorsorgevermögens zur Folge.
Der Zinssatz von Publica lag im vergangenen Jahr bei 0,9 Prozent – das ist noch tiefer als der BVG-Mindestzinssatz.
Ja, das ist für die versicherten Personen schmerzhaft, zumal sie auf ihrem Vorsorgevermögen wegen der Inflation einen Realzinsverlust erleiden.
Ein Teuerungsausgleich ist also in weiter Ferne?
Ja, ein Teuerungsausgleich ist gemäss dem Bundespersonalgesetz erst ab einem Deckungsgrad von 115 Prozent möglich.
Ist für das Anlagejahr 2023 Besserung in Sicht?
Wohl kaum. Die Performance war bisher nicht gut. Der Zinsanstieg ausserhalb der Schweiz drückt auf die Obligationen und auf die Immobilien im Ausland.
Könnte man sagen: Die konservative Anlagestrategie der vergangenen Jahre rächt sich?
Ja, in gewissem Masse schon. Dies hat aber historische Gründe: Bei der Gründung von Publica im Jahr 2003 musste der Bund Geld einschiessen. Mit einer risikoaversen Strategie wollte man verhindern, dass es ein zweites Mal dazu kommt. Mit der Anlagestrategie von 2022 sind nun etwas mehr Risiken möglich – dies braucht aber Zeit.