Für Markus Theunert ist das Thema gerechte Vorsorge mit der egalitären Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit verbunden. Für Mia Mendez steht Eigenverantwortung im Zentrum. Markus Theunert war 2012 der erste staatliche Männerbeauftragte im deutschen Sprachraum. Seit 2016 ist er Gesamtleiter von Männer.ch. Mia Mendez ist Geschäftsführerin Pensionskassen Mitarbeitende und Partner von PWC und Vorstandsmitglied
beim Schweizerischen Pensionskassenverband ASIP. Auszüge aus einem Interview auf HZ Insurance:
In den aktuellen Diskussionen rund um das Thema Vorsorge erhält man das Gefühl, dass sich alle irgendwie betrogen fühlen. Ob Junge, bereits Pensionierte, bald Pensionierte, Frauen oder Männer – viele Schweizerinnen und Schweizer empfinden das aktuelle System als ungerecht. Wie definieren Sie eine gerechte Vorsorge?
Mia Mendez: Die gerechte Vorsorge wird es nie geben. Mir scheint es jetzt jedoch, dass die Medien massgebend dazu beitragen, dass sich alle benachteiligt fühlen. Es gibt, insbesondere bei der zweiten Säule, ein richtiges «Bashing».
Nehmen wir das Beispiel Vermögensverwaltungskosten in der beruflichen Vorsorge: Bei 1200 Milliarden Franken Vermögen sind ausgewiesene Vermögensverwaltungskosten von 5,5 Milliarden Franken eben nicht viel. Oder wie viel bezahlen Sie in Ihrer dritten Säule für einen aktiv verwalteten Anlagefonds? Richtig, weit mehr als die durchschnittlichen 0,5 Prozent, die Pensionskassen bezahlen.
Oder der Gender-Pension-Gap: Wieso vergleicht man verheiratete Frauen mit Kindern mit dem durchschnittlichen Mann, der immer noch häufiger Vollzeit arbeitet? Wieso nicht ledige Frauen mit ledigen Männern (alle ohne Kinder)? Dann gäbe es keinen solchen Gap mehr.
Markus Theunert: Die Ursache des Benachteiligungsempfindens zwischen den Geschlechtern liegt in der ungleichen Arbeitsverteilung: Männer wie Frauen arbeiten zwar insgesamt gleich viel. Bei Eltern kleiner Kinder sind es weit über siebzig Wochenstunden. Jedoch unterscheidet sich die Art der Arbeit: Männer leisten mehr Erwerbsarbeit, Frauen mehr unbezahlte Betreuungsarbeit. Wenn Erwerbsarbeit und unbezahlte Care-Arbeit fair – also hälftig – zwischen den Geschlechtern verteilt wäre, würde sich die Frage erübrigen, welche Transferleistungen in der Vorsorge angemessen sind – sofern für gleichwertige Arbeit auch gleichwertige Löhne bezahlt werden.
Natürlich haben Frauen Anspruch auf eine gute Altersvorsorge, letztlich betreibt jedoch jedes Modell Symptombekämpfung. Um das Problem an der Wurzel zu lösen, müssten Politik, Arbeitgeber und Gesellschaft noch viel deutlicher auf eine egalitäre Verteilung aller gesellschaftlichen Ressourcen und Belastungen hinarbeiten.