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Die demographische Entwicklung gehört zu den drängensten Fragen unseres Landes. Davon betroffen ist nicht nur die Altersvorsorge, sondern generell die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft. Neue Zahlen zeigen: Noch nie gab es so wenige Geburten im Verhältnis zur Wohnbevölkerung. Im Tages-Anzeiger wird insbesondere auf die Situation der Frauen eingegangen. Dazu wird ausgeführt:

Je nach Perspektive heisst es kinderlos oder kinderfrei. Immer mehr Menschen in der Schweiz bleiben ohne Nachwuchs.

Wie die neuen Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigen, gab es letztes Jahr 82’371 Lebendgeburten in der Schweiz, im Jahr davor waren es 89’644. Im Verhältnis zur ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz ist die Zahl so tief wie noch nie. Die Messungen reichen bis ins Jahr 1871 zurück. Das heisst: Der Geburtenrückgang in der Schweiz ist beispiellos. Was sind die Gründe?

In vielen Fällen ist die Kinderlosigkeit durch äussere Umstände bedingt, zum Beispiel Krankheit oder Unfruchtbarkeit. Oder es fehlt der passende Partner oder die passende Partnerin. Es gibt aber auch Frauen, die bewusst kein Kind wollen. (…)

Wer ist in der Schweiz besonders häufig kinderlos? Gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) sind es vor allem Frauen mit Tertiärabschluss, Städterinnen und Städter sowie Personen ohne Religionszugehörigkeit.

Der Rückgang bei den Geburten ist zurzeit auch ein heiss diskutiertes Thema unter Demografiefachleuten. Manuel Buchmann forscht bei Demografik, dem unabhängigen Basler Kompetenzzentrum für Demografie. Er weist darauf hin, nicht nur die rohe Geburtenziffer, sondern auch die Fertilität in die Analysen miteinzubeziehen.

Einerseits gibt es im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung heute weniger Frauen im gebärfähigen Alter als früher. Die Babyboomer werden zwar zur Gesamtbevölkerung gezählt, sind aber nicht mehr im gebärfähigen Alter. Zugespitzt gesagt: «Wenn eine Gesellschaft aus immer mehr Rentnerinnen und Rentnern besteht, gibt es anteilsmässig weniger Kinder.»

Andererseits haben Frauen im gebärfähigen Alter heute allgemein weniger Kinder, also demografisch gesehen eine tiefe Fertilität. Das hängt u. a. mit dem Bildungsniveau zusammen. In der Schweiz haben Frauen mit einer Tertiärausbildung durchschnittlich weniger Kinder. Auch gehören Schweizerinnen zu den ältesten Müttern in Europa: Sie sind bei der Geburt des ersten Kindes durchschnittlich 31,2 Jahre alt. Im EU-Durchschnitt werden die Frauen mit 29,7 Jahren zum ersten Mal Mutter.

Hinzu kommen gemäss Buchmann die schwierige wirtschaftliche Lage und Unsicherheit, Faktoren die oft mit einer sinkenden Fertilität in Zusammenhang gebracht werden. Gerade der starke Geburtenrückgang im Jahr 2022 liesse sich dadurch erklären. «Zudem müssen sich Frauen hierzulande oft zwischen Kindern und Karriere entscheiden, ganz anders als etwa in Frankreich oder Skandinavien.»

Der Demografieforscher sieht aber noch einen weiteren Faktor: Die soziale Norm wandelt sich. Das Familienbild war früher: Mann, Frau, zwei Kinder. Heute ist das anders: «Die neuen Generationen wachsen mit der Idee auf, dass es zum Glücklichsein keine Kinder braucht.»

Auch das Bild von Frauen sei im Wandel. «Die Hausfrau, die sich um die Kinder kümmert und abends auf den Mann wartet, gibt es bei den jüngeren Generationen nicht mehr», sagt Buchmann. Er glaubt auch, dass es immer schwieriger wird, zum «traditionellen Familienmodell» zurückzukehren, weil sich die gesellschaftlichen Normen zwar langsam, dafür aber nachhaltig verändern.

  TA