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In der Schweiz werden derzeit zu wenig Wohnungen gebaut, als dass die steigende Nachfrage befriedigt werden könnte. Und es sieht nicht danach aus, als ob sich dies rasch ändern würde. Andrea Martel sucht in der NZZ nach Lösungen.

Der Bedarf an Wohnungen steigt laufend. 50’000 zusätzliche Haushalte pro Jahr sind in der Schweiz bald die Regel. Einerseits hat das Land eine starke Zuwanderung, anderseits breitet sich die ansässige Bevölkerung mehr und mehr aus.

Zeitweise hält die Neubautätigkeit mit dieser Zusatznachfrage Schritt. Zwischen 2014 und 2018 wurden sogar mehr neue Wohnungen erstellt als unmittelbar benötigt. Seit dem Jahr 2020 steigt die Zahl der Haushalte jedoch wieder stärker als der Wohnungsbestand. Laut dem Direktor des Bundesamts für Wohnungswesen fehlen jährlich 5000 bis 10’000 Wohnungen. (…)

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Für die nachlassende Bautätigkeit gab es gute Gründe. Es ist noch keine drei Jahre her, da war in der Schweiz von einem Überangebot die Rede. Pensionskassen und Versicherungen hatten auf Hochtouren Wohnungen gebaut, was die Leerstände – auch vor dem Hintergrund einer relativ schwachen Zuwanderung – deutlich nach oben trieb. Es war eine Zeit, in der sich Vermieter teilweise gezwungen sahen, Interessenten mit Einkaufsgutscheinen oder mietfreien Zeiten zu umwerben.

Nun, da die Knappheit offenkundig da ist, müsste der Wohnungsbau langsam wieder in Fahrt kommen. Die Frage ist allerdings, ob hinter der derzeitigen Flaute mehr steckt als ein zyklisches Tief und ob eine baldige Steigerung der Bautätigkeit realistisch ist. Die hohe Nachfrage spricht zwar grundsätzlich dafür, aber es gibt auch bremsende Elemente.

Ein Faktor sind die stark steigenden Baukosten. Sie haben das Bauen in jüngster Zeit zu einem finanziellen Vabanquespiel gemacht und dazu geführt, dass Projekte sich verzögern oder gar sistiert werden müssen. Laut dem Bundesamt für Statistik verteuerte sich der Bau eines Mehrfamilienhauses zwischen Oktober 2021 und 2022 um 8,6 Prozent, vor allem aufgrund höherer Rohstoff- und Energiepreise.

Dieses Problem dürfte jedoch vorübergehender Natur sein. Relevanter ist die Tatsache, dass es generell schwierig geworden ist, Wohnungen zu erstellen. Bauen auf der grünen Wiese ist gemäss neuer Raumplanung sowieso verboten, aber selbst das Bauen in den bestehenden Bauzonen wird immer mühsamer.

Dass vor diesem Hintergrund zwischen 2013 und 2o20 trotzdem verhältnismässig viele Wohnungen gebaut wurden, war einer Sondersituation geschuldet. Die Tief- beziehungsweise Negativzinspolitik der Schweizerischen Nationalbank führte dazu, dass die institutionellen Anleger kaum mehr Alternativen hatten, um ihr Geld anzulegen. Also bauten sie Wohnungen.

Diese Ausnahmesituation ist nun vorbei. Das ist im Übrigen gar nicht schlecht, denn auch der vergangene Bauboom trug wenig dazu bei, die Wohnungsknappheit in den Städten zu lindern. Gebaut wurde vor allem dort, wo es einfach war, weil noch Landreserven vorhanden waren – also in den Agglomerationen und auf dem Land. (…)

Mit dem Verweis auf das Wachstum der Schweiz ist ein grundsätzliches Thema angesprochen: Man könnte das Problem der fehlenden Wohnungen statt auf der Angebotsseite natürlich auch über die Nachfrageseite angehen. Kämen nicht jedes Jahr so viele neue Haushalte dazu, müsste auch nicht so viel gebaut werden.

Aber woher kommen all diese zusätzlichen Haushalte? Wer meint, dahinter stecke einzig die Zuwanderung, irrt. Fast so wichtig war in den vergangenen vier Jahren die Tatsache, dass die im Schnitt reicher werdenden Schweizerinnen und Schweizer sich pro Kopf mehr Wohnraum und mehr Wohnungen leisten. (,,,)

Wer also das Wohnungsproblem auf der Nachfrageseite lösen wollte, müsste nicht nur die Zuwanderung beschränken, sondern auch dafür sorgen, dass die Einheimischen ihren Flächenbedarf nicht noch weiter vergrössern.

Den Seniorinnen und Senioren vorschreiben zu wollen, dass sie von nun an in «Alters-WG» wohnen sollen, scheint allerdings kein erfolgversprechender Ansatz. Sinnvoller ist es, dafür zu sorgen, dass Privatwirtschaft und Genossenschaften, die liebend gerne neue Wohnungen bauen würden, dies auch tun können – und zwar dort, wo es diese Wohnungen braucht.

  NZZ / Studie Raiffeisen