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Hansueli Schöchli geht in der NZZ der Frage nach, wie gut die Finanzlage der Pensionierten mit Blick auf die stark steigende Teuerung und die viel beklagte Erosion der Renten tatsächlich ist. Neben der Entwicklung der AHV wird auch die Situation in der beruflichen Vorsorge beleuchtet.

So lag zwar laut den jüngsten Berechnungen des VZ Vermögenszentrums die Ersatzquote für Erwerbstätige mit Bruttojahreseinkommen von 50 000 Franken (gemessen am Lohnniveau 2002) in den letzten zwanzig Jahren ziemlich konstant bei etwa 65 Prozent. Doch bei einem Lohnniveau von 100 000 Franken (was 2021 einem Niveau von etwa 119 000 Franken entspreche) sei die Ersatzquote von gut 60 Prozent auf 54 Prozent gesunken. Bei einem Lohnniveau von 150 000 Franken seien es nur noch etwa 45 Prozent. Deklarierter Hauptgrund der Rückgänge: die Reduktion der nominalen Jahresrenten der Pensionskassen.

In der Tat sind die Umwandlungssätze der Pensionskassen zur Berechnung der Jahresrente in den letzten zwanzig Jahren deutlich gesunken – von schätzungsweise 7 Prozent im Durchschnitt auf etwa 5,4 Prozent. Pro 100 000 Franken Alterssparkapital bei der Pensionierung erhalten die Neurentner damit im Mittel eine Jahresrente von noch etwa 5400 Franken statt wie früher von rund 7000 Franken.

 

Der Rückgang der Umwandlungssätze hat drei Treiber: den Anstieg der Lebenserwartung, den Rückgang der Inflation (bei Inkraftsetzung des Gesetzes zur beruflichen Vorsorge 1985 ging man von einer Jahresteuerung von etwa 4 Prozent aus) und die Senkung der Realzinsen. Nur das letztgenannte Element spiegelt eine Reduktion der Leistung.

Die VZ-Rechnung berücksichtigt überdies allfällige Kompensationszahlungen der Pensionskassen für die Senkung der Umwandlungssätze nicht. Gemäss der jüngsten Branchenumfrage von Swisscanto haben die Pensionskassen 2021 im Mittel (Median) für Neurentner mit Bruttolohn von 80 000 Franken eine Ersatzquote von total 70 Prozent anvisiert; das Ziel lag 10 Prozentpunkte tiefer als 2012.

Das heisst nicht, dass in jedem Fall auch 70 Prozent bezahlt wurden, aber es lässt mutmassen, dass Werte von weit unter 60 Prozent nicht der Standard sind. Berechnungen der St. Galler Beratungsfirma c-alm im Rahmen der laufenden Reform der beruflichen Vorsorge lassen mutmassen, dass das 60-Prozent-Ziel für Jahreseinkommen bis 85 000 Franken auch mit den diskutierten Reformvarianten erreichbar sein wird.

Die besagten VZ-Rechnungen mit Ersatzquoten unter 60 Prozent betreffen Einkommensklassen von 120 000 bis über 150 000 Franken und damit keine Sozialfälle. Das Obligatorium gemäss Gesetz erfasst Erwerbstätige mit Jahreseinkommen bis 86 000 Franken. Je höher das Erwerbseinkommen liegt, desto unwichtiger ist aus sozialpolitischer Sicht die Ersatzquote; ein Einkommensmillionär wäre auch bei einer Ersatzquote von «nur» 10 Prozent kein Sozialfall.

Und wer die Bundesverfassung bemüht, verschweigt meist das Entscheidende: Der besagte Verfassungsartikel über die «Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung» sagt nichts über das Rentenalter aus. Als das Volk 1972 diesen Artikel in die Bundesverfassung hievte, hatten 65-Jährige im Mittel noch eine Restlebenserwartung von rund 15 Jahren, heute sind es etwa 21 Jahre – also 40 Prozent mehr. Selbst unter Berücksichtigung der Erhöhung des Frauenrentenalters seit 1972 hat sich die Restlebenserwartung für Neurentner im Mittel um rund 30 Prozent erhöht.

  NZZ