imageÜberraschend intervenierte die Bank of England in dieser Woche am Anleihenmarkt. Jetzt ist klar: Die Turbulenzen durch den umstrittenen Staatshaushalt hatten Pensionsfonds an den Abgrund gedrängt. Wie konnte das geschehen? Die NZZ schreibt:

Um böse Überraschungen zu vermeiden, vergleichen Manager von Pensionsfonds den Marktwert der von ihnen gehaltenen Assets mit dem gegenwärtigen Wert der künftigen Zahlungen an die Leistungsempfänger. Für dessen Berechnung wird üblicherweise ein Diskontsatz verwendet, der sich auf die Gilt-Zinskurve bezieht.

Um zugesagte Pensionen sicher auszahlen zu können, wären eigentlich inflationsgeschützte Anleihen die beste Anlage. Dann bewegen sich Assets und Verbindlichkeiten im Tandem. Veränderungen des Marktwerts der Anleihen gehen mit einer entsprechenden Veränderung der Zinskurve einher, die zur Berechnung des gegenwärtigen Werts künftiger Verbindlichkeiten benutzt wird.

Cashflows lassen sich, falls erforderlich, mithilfe von Swaps glätten. Doch diese Herangehensweise ist teuer. Zudem lässt sich nie so genau sagen, wie hoch die Verbindlichkeiten sein werden, solange noch Leistungsempfänger hinzukommen. Einen Ausweg bieten sogenannte LDI-Strategien (Liability Driven Investment). Sie sind es, die durch die Intervention der Bank of England in den Fokus geraten sind.

LDI-Strategien werden insbesondere von Altersvorsorgeplänen mit festen Leistungszusagen gerne genutzt. Darauf hat sich eine ganze Industrie mit Heerscharen von Beratern spezialisiert. Denn mit diesen Derivaten lassen sich, zumindest theoretisch, vergleichbare Ergebnisse zu niedrigeren Kosten erreichen. Besser noch: Sie ermöglichen den Einsatz von Hebeln, sogenanntes Leveraging. (…)

Dabei beleiht man eine Staatsanleihe aus dem Bestand, um mit dem Geld eine weitere zu erwerben. Wiederholt man den Prozess, hat man sein Asset verdreifacht. Auf diese Weise kann man nicht nur an Mittel für riskantere Anlagen mit höherer Rendite wie Private Equity oder Hedge-Funds gelangen. Man kann auch seinen Finanzierungsstatus verbessern – ein höchst willkommenes Instrument, denn viele britische Altersvorsorgepläne sind unterfinanziert.

Bisher galt der Markt für Gilts mit langen Laufzeiten als wenig schwankungsanfällig. Umso härter schlugen die spekulativen Attacken auf Pfund und Staatsanleihen in den vergangenen Tagen ins Kontor – ausgelöst durch den schuldenfinanzierten Staatshaushalt, den die neue Regierung von Liz Truss vorgelegt hatte. Wegen der hohen Inflation hatten es Pensionsfonds vorgezogen, keine hohen Cash-Bestände vorzuhalten. Nur wenige verfügten offenbar über ausreichend Bargeld, um den Forderungen nach mehr Sicherheiten (Margin Calls) für ihre LDI-Geschäfte nachzukommen, als die Zinsen in die Höhe schossen.

  NZZ