Die Behandlung der BVG 21-Reform im Ständerat hat die schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Eine Anhäufung von Fehleinschätzungen und Peinlichkeiten.

Was hat er sich bloss gedacht, Ständerat Dittli? Ein Mann, der bisher nicht durch besonderes Interesse oder Einsatz für die 2. Säule aufgefallen wäre, lanciert in der Kommission ein Modell, ohne dessen Kosten zu kennen. Es findet eine knappe Mehrheit von 7:6 dank den Stimmen von FDP, SP und Grün. Dagegen sind die je drei Vertreter von SVP und Mitte. Die Lösung ist nicht finanzierbar und sozialpolitisch ein Rohrkrepierer.

Das wird auch den FDP-Ständeräten klar, die kurz vor der Debatte  versuchen, mit einer rasch zusammengeschusterten, neuen Lösung dem Rat eine Billigvariante unterzujubeln. Sie ist das Produkt einer kurzfristig einberufenen ad-hoc Gruppe mit Vertretern diverser Provenienz. Dittli muss den neuen Vorschlag selbst vorstellen, weil sich sonst niemand dafür hergeben will.

Das ist nun aber auch verfahrenstechnisch so missraten, dass der Rückweisungsantrag Chassot schlank durchgeht. Die Eintretensdebatte reduziert sich zum formellen Geplänkel mit dem Ablesen der vorbereiteten Statements. Die Vorlage wird an die Kommission zurückgewiesen und die Detailberatung des Geschäfts aufgeschoben.

Damit geht eine Sessionsperiode verloren. Der Ständerat wird sich in der Herbstsession wieder damit befassen, die SGK-S bereits in dieser Woche. Rein technisch wäre es möglich, das Geschäft noch im laufenden Jahr zu verabschieden, was aber einen Sondereffort erfordern würde. Andernfalls geschieht genau das, was man verhindern wollte: die Beratung der Reform in einem Wahljahr.

Vorderhand steht man vor einem Scherbenhaufen, mit einem veritablen Reputationsschaden auf Seite der FDP. Es ist schwer nachvollziehbar, was sich Dittli und Co. erhofft haben. SVP und Mitte sind düpiert, SP und Grüne amüsieren sich über das bürgerliche Schlamassel und klagen wortreich über das angerichtete «Chaos», für das aber auch sie Verantwortung tragen, schliesslich haben sie dem FDP-Modell in der Kommission ihren Segen gegeben.

Zur Ablenkung aktivieren sie ihre Standard-Argumentation aus der untersten Schublade und beklagen wortreich den Einfluss der Finanzindustrie und ihrer Lobby, welche wieder einmal die Finger im Spiel habe – was an dieser Stelle intellektuell noch dürftiger ist als sonst. Ansonsten propagieren sie weiterhin den «Kompromiss», der aber gescheitert ist und an der Urne sowieso keine Chance hätte. Im Falle der SP, einer Partei, für die Sozialpolitik im Zentrum steht, ein Armutszeugnis.

Keine glückliche Figur macht auch der Arbeitgeberverband, der sich mit dem Gewerkschaftsbund auf den Kompromiss eingelassen hat und jetzt aus der Mesalliance nicht mehr loskommt. Das heisst, er hätte es mit etwas rhetorischem Geschick – an dem es ihm sonst nicht fehlt – schon vor geraumer Zeit tun können, hat aber jede sich bietende Gelegenheit präzis verpasst. So bleibt ihm die Rolle des Zaungasts, der das Geschehen auf dem Spielfeld mit Buhrufen verfolgt, ohne an den Ball zu kommen.

Die Verpolitisierung der 2. Säule hat damit einen Höhepunkt erreicht. Würden trotz aller Widrigkeiten die Pensionskassen nicht einen so guten Job machen, hätte man sie schon längst abschreiben müssen. Man fragt sich, wie lange das noch gut geht.

Peter Wirth, E-Mail