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Hansueli Schöchli geht in der NZZ der Frage nach, ob die Zinswende die geplante Senkung des Umwandlungssatzes eventuell überflüssig macht. Er schreibt u.a.:

Für die politische Kontroverse um die Rentenreform in der Schweiz stellt sich die Frage, ob mit der Umkehr des Zins- und Inflationstrends bald Ähnliches auch bei den Umwandlungssätzen der Pensionskassen passieren wird. «Die durchschnittlichen Umwandlungssätze von gegenwärtig 5,4 Prozent werden wohl nicht unter 5 Prozent sinken», sagt Stephan Wyss von der Zürcher Beratungsfirma Prevanto: «Aber bis es zu einem Anstieg käme, müssten die Zinsen noch deutlich stärker und nachhaltig steigen. Neurentner erhielten im letzten Jahr im Durchschnitt faktisch eine Zinsgarantie von etwa 2,8 Prozent. Die Rendite von risikoarmen Obligationen liegt immer noch weit unter diesem Wert.»

Ähnlich äussern sich auch andere befragte Experten. Eine weitere Kernbotschaft der Befragten: Die in der laufenden Gesetzesreform vorgesehene Senkung des Mindestumwandlungssatzes für das Obligatorium der beruflichen Vorsorge von 6,8 auf 6,0 Prozent werde durch die vorläufige Zinswende nicht plötzlich überflüssig gemacht. Stephan Wyss sagt es so: «Auch aufgrund der derzeitigen Marktzinsen sind die 6 Prozent immer noch zu hoch, aber die Lücke zum rechnerisch korrekten Satz wird kleiner.»

Doch aus Sicht mancher Neurentner mit viel überobligatorischem Kapital und entsprechend tieferen Umwandlungssätzen mag sich das gängige Bild der Umverteilung von Erwerbstätigen zu Rentnern in den kommenden Jahren umkehren. Sollte sich die Zins- und Inflationswende bestätigen und verstärken, könnten einige Verlierer-Jahrgänge entstehen: Sie gehen vielleicht heute mit Umwandlungssätzen um 5 Prozent in Rente, sie erhielten in den zehn Jahren zuvor nur eine relativ geringe Verzinsung ihres Vorsorgekapitals, weil sie frühere Rentner subventionieren mussten, und sie sehen in Zukunft die Kaufkraft ihrer Renten durch höhere Inflation beeinträchtigt.

Die Antwort auf ein solches Szenario wäre aber nicht die Erhöhung der Rentengarantien, betont ein ehemaliger Pensionskassenmanager, der heute in Stiftungsräten von Kassen sitzt. Seine Empfehlung: Falls Kassen künftig Geld zu verteilen hätten, sollten nebst den Erwerbstätigen jeweils auch benachteiligte Rentnerjahrgänge profitieren. Diese Flexibilität entspricht laut Branchenkennern einer verbreiteten Empfehlung und Absicht. «Pensionskassen mit genügend Reserven und guten Anlagerenditen werden ihr Geld nicht horten», sagt Reto Leibundgut von der St. Galler Beratungsfirma C-alm: «Auch Rentner können davon profitieren, aber ich empfehle keine Giesskannenzuschläge für Rentner, sondern eine jahrgangsspezifische Betrachtung mit Zuschlägen für jene, die bisher im Vergleich mit anderen Jahrgängen zu schlecht weggekommen sind.»

Zur Illustration verweist Leibundgut auf das Modell der Raiffeisen-Pensionskasse zur Verwendung freier Mittel. Vorgesehen sind bei vorhandenen Mitteln Zuweisungen an die Erwerbstätigen in Form einer höheren Jahresverzinsung sowie eine einmalige Zahlung an die «legitimierten Rentenbezüger». Die Kriterien für die Auswahl der «legitimierten» Rentnerjahrgänge sind der angewendete Umwandlungssatz zur Rentenberechnung, die Kapitalverzinsung der Betroffenen in den fünf Jahren vor der Pensionierung sowie die Anlagerenditen der Pensionskasse während der besagten fünf Jahre und seit der Pensionierung des betrachteten Jahrgangs. Bei häufigen Überschüssen käme es damit zu einer finanziellen Annäherung der verschiedenen Jahrgänge.

  NZZ