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Der Tages-Anzeiger geht der Frage nach, weshalb Frauen auch dann häufig nur Teilzeit Arbeiten, wenn sie keine Kinder haben. Die Frage interessiert insbesondere im Zusammenhang mit den konsequenterweise tieferen BVG-Renten der Frauen.

Die Schweiz gehört zu den Ländern mit dem höchsten Anteil an Teilzeiterwerbstätigen. Es sind vor allem die Frauen, die Teilzeit arbeiten. Männer bevorzugen auch heute noch Vollzeitjobs, dieses Muster etabliert sich bereits früh im Berufsleben: Ein Viertel der Frauen ohne Kinder zwischen 25 und 29 arbeitet Teilzeit, bei den Männern ist es nur jeder Achte, wie eine neue Erhebung des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigt.

«Frauen haben von Beginn weg weniger Interesse an einer Vollzeitstelle», sagt Ursina Kuhn, Forscherin am Schweizer Kompetenzzentrum für Sozialwissenschaften der Universität Lausanne. «Die jungen Frauen schauen schon bei der Berufswahl, ob Teilzeitarbeit möglich ist. Für die meisten Männer stelle sich hingegen die Frage gar nicht, ob sie mit reduziertem Pensum arbeiten sollten. «Sie arbeiten grundsätzlich Vollzeit. Auch heute noch reduziert nur eine Minderheit der Männer das Pensum, wenn sie Kinder haben.» (…)

Bei den 30- bis 49-Jährigen sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen noch deutlicher. Von den Frauen ohne Kinder arbeiten 43 Prozent Teilzeit, bei den Männern rund 15 Prozent. An dieser niedrigen Teilzeitquote der Männer ändert sich auch nichts, wenn sie Kinder haben. In diesem Fall arbeiten von den 30- und 49-jährigen Männern sogar nur 13 Prozent Teilzeit. Von den Frauen mit Kindern in dieser Altersgruppe haben hingegen 80 Prozent ein Teilzeitpensum. (…)

Dass auch viele kinderlose Frauen Teilzeit arbeiten, liegt laut Ursina Kuhn auch daran, dass in der Schweiz Teilzeitarbeit nicht schlechter entlöhnt wird als Vollzeitarbeit. Anders als in vielen Ländern gelte in der Schweiz für Teilzeitarbeit der gleiche Grundlohn wie für Vollzeitarbeit. Dies rechne sich insbesondere bei gut bezahlten Stellen für Hochqualifizierte. Dabei müsse aber auch berücksichtigt werden, dass die Wochenarbeitszeit in der Schweiz deutlich höher sei als etwa in Frankreich. «Wenn eine Frau in der Schweiz 80 Prozent arbeitet, entspricht das in Frankreich fast einem Vollzeitpensum.»

Als weitere Gründe für die weit verbreitete Teilzeitarbeit nennt Kuhn die Berufsfelder, in denen Frauen arbeiten. Im Sozialbereich seien Teilzeitstellen fast schon die Norm – zum Teil auch, weil die Arbeit mit einem Vollzeitpensum als zu belastend empfunden werde. Tatsächlich verzeichnen Wirtschaftsbereiche, in denen überdurchschnittlich viele Frauen arbeiten, den höchsten Anteil an Teilzeitstellen. In den Bereichen Unterricht und Erziehung sowie Gesundheits- und Sozialwesen arbeiten fast 60 Prozent der Angestellten Teilzeit.

  Tages-Anzeiger