Hansueli Schöchli kommentiert in der NZZ die Beschlüsse des Ständerats zur BVG-Reform. Viel Gescheites vermag er offenbar dabei nicht auszumachen.

Im Schweizer System der Altersvorsorge ist der Durchblick schwierig. Das System ist komplex, die Umverteilungsströme sind gross, aber gut versteckt – so dass Politiker und Lobbyisten dem Volk ungestraft Sand in die Augen streuen können. Das gilt nicht nur für die AHV, sondern auch für die zweite Säule: die berufliche Vorsorge via Pensionskassen. (…)

Die diskutierte Rentenreform bringt eine Senkung des gesetzlichen Minimums von 6,8 auf 6,0 Prozent. Das wäre immer noch zu hoch, doch selbst dieser Schritt ist umstritten, denn ein tieferer Umwandlungssatz heisst tiefere nominale Jahresrenten. Deshalb rufen Politiker von links bis rechts nach «Kompensationen» in Form von Rentenzuschlägen mindestens für die Übergangsjahrgänge.

Dass man Versicherte für den Abbau eines Privilegs (Subvention) noch kompensieren muss, erscheint zwar absurd, aber so läuft die Politik der Altersvorsorge: Die älteren Jahrgänge sind an der Urne zahlenmässig stark, und die Kosten für die Jüngeren lassen sich gut verschleiern. Die Jüngeren interessieren sich zudem noch nicht allzu stark für die Altersvorsorge, so dass die Politik sie relativ leicht übers Ohr hauen kann. (…)

Gemäss Beschluss des Nationalrats vom vergangenen Jahr erhalten in fünfzehn Übergangsjahrgängen etwa 35 bis 40 Prozent der Versicherten Rentenzuschläge von 1200 bis 2400 Franken pro Jahr. Die Gesamtkosten dieser Zuschläge zulasten der Jüngeren belaufen sich auf gut 9 Milliarden Franken.

Im Ständerat standen am Montag vier verschiedene Varianten zur Debatte; die Bandbreite der Kosten reichte von knapp 10 Milliarden bis über 30 Milliarden Franken. Politiker von links bis rechts lieben versteckte Umverteilungen von Jung zu Alt, doch das Ausmass ist je nach Couleur unterschiedlich: Die Linke will möglichst hohe Umverteilungen (da die Quersubventionierungen von Jung zu Alt und von oben nach unten typischerweise parallel laufen), die Rechte will das Ausmass eher begrenzen, und die anderen Parteien liegen zwischen den Polen. (…)

Die Aussicht auf den starken Anstieg der Lohnabzüge vor allem bei Kleinverdienern begeistert niemanden. Die Linke ist bestenfalls lauwarm dafür, wenn der Ausbau nicht mit zusätzlichen Umverteilungen von oben nach unten verbunden ist; in der Mitte schlucken manche den Ausbau als notwendigen Preis für die stärkere Versicherung der Frauen; das Gewerbe erachtet derweil die höheren Lohnabzüge für Kleinverdiener als inakzeptabel.

Bei einem Referendum wären dies eher schlechte Aussichten. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Das Geschäft geht nun zurück an den Nationalrat. Dieser dürfte beim Ausbau auf die Bremse stehen. Doch ob das Parlament am Ende eine mehrheitsfähige Reform zustande bringt, erscheint zweifelhaft.

  NZZ