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pw. Ob es nun Milliarden oder nur Millionen waren und wieviele, ist nicht geklärt, was die damalige Sozialministerin Ruth Dreifuss im Parlament offen zugab. Aber die Zahl «20 Milliarden», welche die Versicherer in den 90er Jahren angeblich in eigene Tasche lenkten, wurde von den Autoren der Dok-Sendung «Das Protokoll» als unzweifelhafte Tatsache präsentiert. Ausgestrahlt wurde die Sendung zur «unbekannten Geschichte der 2. Säule» am 27. Oktober vom Fernsehen SRF.

Dass damals keine Gesetze übertreten wurde, ist unbestritten, aber auch dass es in den Wildwest-Tagen nach der Inkraftsetzung des BVG an Transparenz und Erfahrung im Umgang mit dem Obligatorium der 2. Säule fehlte. Da hat sich viel geändert, was aber lediglich in der Feststellung einer Finma-Mitarbeiterin zum Ausdruck kam. Mit der Legal Quote hat man die Versicherer im Geschäft mit der 2. Säule an die Leine gelegt, die offenbar so straff ist, dass die meisten Anbieter sich daraus verabschiedet haben.

Im Rückblick auf die damaligen Ereignisse hatte man als Zuschauer immerhin die Möglichkeit des Wiedersehens mit allerhand Prominenz unter den damaligen Akteuren. Etwa SGB-Sekretär Fritz Leuthy, der generell enttäuscht ist über die Entwicklung der 2. Säule. Ein Gefühl, das er mit vielen Vertretern auf der anderen Seite der Sozialpartner und Experten teilt, wenn auch aus anderen Gründen.

Alt NR Ruedi Rechsteiner, nie ein Freund der Assekuranz, der nochmals seine alten Vorwürfe wiederholte, dabei allerdings mehr mit seiner neuen Brille auffiel – statt nach Vorbild Bert Brecht, jetzt eher in Richtung David Hockney, aber immer noch kreisrund.

Assistiert wurde er in seiner Abneigung gegen die Versicherungsbranche von Christine Egerszegi, die sich bass erstaunt gab, dass eine Branche Anspruch auf 10 Prozent des erzielten Gewinns haben soll. Aber die Diskussion um Legal Quote, Brutto und Netto, ist so höllisch komplex, dass sich die gegenseitigen Argumente reduzieren lassen auf die beiden Standpunkte: ihr versteht überhaupt nichts, ihr habt uns über den Tisch gezogen.

Abenteuerlich dann der zweite Schwerpunkt der Dok: der Einfluss der Versicherer auf die Entstehung und Durchführung der beruflichen Vorsorge. Hauptbeweisstück: ein Sitzungsprotokoll der Versicherungs-Direktorenkonferenz im Hotel Atlantis von Dezember 1972 (!) nach der Abstimmung zum Drei Säulen-System, mit 75 Prozent Jastimmen.

Der Protokollführer, vermutlich beim Militär in höherer Funktion, hatte offenbar ein Faible für martialische Formulierungen. Das nicht eben originelle Zitat von der gewonnen Schlacht und dem noch nicht gewonnen Krieg, wurde xmal wiederholt, ohne aber zu verraten, in genau welchem Zusammenhang es zu verstehen ist. Suggeriert wurde, dass es um die Ausführung des BVG geht, das dann offenbar von den Versicherern im Alleingang formuliert wurde.

Dabei verlor sich die sog. Dokumentation in wilden Verschwörungstheorien, untermalt von wabernder Musik und düstern Sequenzen mit sich geheimnisvoll öffnenden und schliessenden Archiven und leeren Gängen, welche – wohin? – führen.

Die Versicherungsbranche – Unternehmen und Verband – hatten offenbar keine Lust, sich in Interviews zu äussern. Was auch nur soviel zum Wahrheitsgehalt der Sendung aussagt, wie man hinein interpretieren will. Eine «unbekannte Geschichte» wurde jedenfalls nicht präsentiert. Bestenfalls eine einseitige Interpretation der Geschichte auf zweifelhafter Grundlage.

  Sendung «Das Protokoll» / Infosperber