«Welches ist das dümmste Argument, das Sie in der laufenden Kontroverse um die BVG-Revision gehört haben?». Für Daniel Lampart, Ökonom beim Gewerkschaftsbund, keine schwierige Frage. Seine Antwort: «Dass der Sozialpartner-Kompromiss nicht systemkonform sei». Das Argument findet er absurd, geradezu lächerlich.

Gefragt hat Kaspar Hohler von der Schweizer Personalvorsorge, an einem Podiumsgespräch der kürzlich durchgeführten PK-Netz Tagung. Eine smarte Frage des Chefredaktors.

Wer in diesem Land noch an das (einst) vielgelobte 3 Säulen-System glaubt, für den ist das Argument aber alles andere als absurd, betrifft es doch die Grundlagen des Systems. Denn mit dem sogenannten Kompromiss resp. der bundesrätlichen Vorlage mit dem zeitlich unbegrenzten, umlagefinanzierten Rentenzuschlag wird das Fundament der 2. Säule unterhöhlt, sie neigt sich gefährlich in Richtung der 1. Damit würde sie ihre Eigenständigkeit verlieren. Nicht gerade lächerlich.

Doch genau das ist es, was die Linke mit dieser Revision anpeilt und wozu ihr der Arbeitgeberverband in einem Moment geistig-politischer Absenz die Hand gereicht hat. 3 Säulen heisst, drei unterschiedliche, klar definierten Formen der Altersvorsorge: kollektiv oder einzeln, zentral oder dezentral, solidarisch oder individuell. Werden sie vermischt, verliert das System seine Substanz und damit seine Daseinsberechtigung.

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Linke und Grüne konnten ihr Glück kaum fassen, als die Gewerkschaften zusammen mit den Arbeitgebern ihren Kompromiss vorstellten. Umso grösser ihr Entsetzen, als jetzt im Nationalrat das Vorhaben chancenlos versenkt wurde. Für einmal standen die drei bürgerlichen Parteien geschlossen hinter ihrer Lösung, die Minderheiten-Anträge blieben auf der Strecke. Nur gerade der Ausbau der Säule 3a wurde mit Hilfe der Mitte gestrichen.

Die SP fand in sich in der ungewohnten Rolle, bei dem für sie zentralen Thema der Altersvorsorge sich in keinem einzigen Punkt einbringen zu können. Hilflos stand sie auf der Seitenlinie, während die Bürgerlichen ihr Spiel machten. Umso heftiger ihre Attacken, wobei im Wettstreit um die Aufmerksamkeit des Publikums die Grünen sie in Sache Lautstärke noch um mehrere Dezibel übertrafen. Auch Berset machte aus seiner tiefsitzenden Abneigung gegen das SGK-Modell kein Hehl und prophezeite düster dessen Scheitern an der Urne.

Die Argumentation der beiden linken Fraktionen unterschied sich nicht wesentlich. Statt sich den zentralen Anliegen und Sachfragen zu widmen – Verminderung der Umverteilung von Jung zu Alt, Berücksichtigung der Finanzmarktverhältnisse und der Entwicklung der Lebenserwartung – wurde der Opferkult der benachteiligten Frauen zelebriert. Ein Gesetz der Banken und Versicherungen, hiess es. Wenn man sonst keine Argumente hat …

Das Problem der Kritiker der SGK-N Lösung: die 2. Säule eignet sich nicht zur Verteilung von Geschenken. Leistungsverbesserungen muss man sich verdienen, über Jahre und Jahrzehnte mit höheren Beiträgen. Das widerstrebt den Linken mit ihrer Neigung zur «instant gratification». Der 200 Franken-Sofortzuschlag für alle Neupensionierten mit seiner Ponzi-Mechanik ist viel eher nach ihrem Geschmack. Und lässt sich auf dem Jahrmarkt der Populisten auch leichter verkaufen.

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Übrigens wurde die eingangs erwähnte Frage nach dem dümmsten Argument auch Lukas Müller-Brunner vom Arbeitgeberverband gestellt. Seine Antwort: «Lieber keine Revision als diese Revision». Leider wurde nicht klar, welche Revision er konkret meinte. Ich denke, es gibt da welche, auf die man gut und gerne verzichten könnte – und sollte.

Peter Wirth, E-Mail