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Frank Scheffold, Professor am Physik-Departement der Universität Freiburg und ehemaliges Mitglied des Nationalen Forschungsrats beim Schweizerischen Nationalfonds, hat die Sterblichkeitszahlen im Coronajahr 2020 einer kritischen Analyse unterzogen. Seine Resultate überraschen.

Eine Arbeit der Universität Lausanne, unter der Leitung von Isabella Locatelli, vergleicht die Sterblichkeit in der Schweiz im letzten Jahr mit jener in den Vorjahren. Aus der Studie ergeben sich mehrere interessante Schlussfolgerungen. Erstens ist die Übersterblichkeit etwas geringer als die Zahl der gemeldeten Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 – was darauf hindeutet, dass es in der Schweiz, im Gegensatz zu einigen anderen Ländern, keine grosse Dunkelziffer an Pandemieopfern gibt.

Bezüglich der standardisierten Sterblichkeit, welche die Veränderungen in der Alters- und Geschlechterverteilung einer Bevölkerung berücksichtigt, stellen die Autoren eine etwas geringere Sterblichkeit im Vergleich zum Grippejahr 2015 fest. Da die Sterblichkeit in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gesunken (und die Lebenserwartung gestiegen) ist, lag sie im Jahr 2020 sogar um sieben Prozent niedriger als im Jahr 2010.

Inwieweit die Covid-19-Todesfälle im Jahr 2020 durch die Corona-Massnahmen begrenzt werden konnten, ist unklar, und die Autoren lassen diese Frage offen. Verglichen mit dem Vorjahr reduzierte sich die Lebenserwartung im Jahr 2020 um knapp acht Monate. Im Vergleich dazu sank die Lebenserwartung durch die Spanische Grippe im Jahre 1918 um fast zehn Jahre bei einer damals ohnehin schon viel geringeren Lebenserwartung von um die Mitte fünfzig. Die Auswirkungen der Spanischen Grippe waren ungleich dramatischer als jene von Covid-19.

  NZZ