Möglicherweise hat es den Alternativvorschlag von Melanie Mettler (grünliberal) gebraucht, um die Vorteile des Revisionsmodells der SGK-N zu erkennen. Was Mettler vorlegt, ist der Versuch, dem ungeliebten Modell De Courten und der wenig erfolgversprechenden Bundesratsvorlage eine etwas entschärfte BR-Variante entgegenzusetzen.

Der ASIP hat an einer Medieninformation mit Teilnahme von Reto Leibundgut (c-alm) die zur Diskussion stehenden Modelle verglichen und seine Schlüsse gezogen. Spoiler Alert: seinem eigenen Mittelweg-Vorschlag gibt der PK-Verband politisch kaum mehr Chancen, das BR-Modell wie auch den Minderheitsantrag Mettler erachtet er nicht unbedingt als zielführend. Erwärmen kann er sich bloss für die Mehrheitslösung der SGK-N.

Zur Erinnerung: Mettler will einen Rentenzuschlag für alle Neupensionierten mit einem Altersguthaben von unter 516’000 Franken, ob sie nun von der Mindest UWS-Senkung betroffen sind oder nicht; das Anrechnungsprinzip gilt nicht. Die Kompensationsdauer ist auf 20 Jahre angelegt. Finanziert werden soll der Zuschlag mit kollektiv erhobenen Lohnabzügen von 0,3 Prozent auf die AHV-Löhne. In der Kompensationsfrage also eine Bundesratslösung light, die etwas billiger ausfällt. Der Bundesrat rechnet für seine Vorlage (resp. dem Sozialpartnerkompromiss) mit 0,5 Prozent. Und wie beim Bundesrat soll der Zuschlag im Umlageverfahren erfolgen.

Mit der jetzt eingefügten Obergrenze (der Bundesrat will sämtliche Pensionierten beglücken) ergeben sich naturgemäss Probleme, obgleich sie in der Mettler-Lösung sehr grosszügig gesetzt ist. Wer sich in Sichtweite der Grenze befindet, wird von Einkäufen absehen. Ungelöst sind Fragen wie die Situation bei Scheidung oder nach Vorbezug für Wohneigentum und beim Kapitalbezug. Natürlich lassen sich dafür Regelungen ausdenken, sie würden aber das Modell nochmals komplizierter und für die Versicherten schwer verständlich machen. Laut Schätzung des BSV dürften rund 70 Prozent der Versicherten in den Genuss des Zuschlags kommen. Betroffen sind aber nur etwa 15 Prozent.

Die von der Kommissionsmehrheit unterstützte Lösung setzt hingegen auf das Anrechnungsprinzip. Die Formel für den Anspruch auf den Zuschlag, wie es Leibundgut formuliert, lautet: «Gesetzliche Altersrente + Zuschlag ist höher als die reglementarische Altersrente». Das heisst: Nur wer von der Senkung betroffen ist, hat Anspruch auf Kompensation. Es ist unerfindlich, weshalb man von diesem einleuchtenden Grundsatz abweichen soll.

Das Mehrheitsmodell hat den Vorteil, dass die Kassen gehalten sind, für die Kompensationsmassnahmen ihre vorgeschriebenen Rückstellungen für Pensionierungsverluste einzusetzen, wogegen ausser formellen Vorbehalten eigentlich nichts spricht. Und schliesslich sollen die kollektiv erhobenen Mittel an die Kassen nicht über Umlage verteilt werden, sondern als Zuschlag auf die Altersguthaben, also systemgerecht im Kapitaldeckungsverfahren. Die Übergangsgeneration ist mit 15 Jahren immer noch zu lang, aber immerhin fünf Jahre kürzer als bei Mettler. Mit Kosten von 0,15 Prozent der BVG-Löhne für die Solidarleistungen wäre die Lösung relativ günstig.

*

Bei der am 7. Dezember startenden Debatte im Nationalrat stellt sich die Frage, welche Rolle die Bundesratsvorlage spielt. In der SGK hat die SP daran festgehalten. Sollten die zwei Minderheiten auf ihren Anträgen beharren, kommen sie sich gegenseitig in die Quere, was der Mehrheit nützt.

Was verspricht man sich vom Minderheitenvorschlag Mettler? Man erinnert sich, dass der Haupteinwand gegen den Vorschlag De Courten lautete, damit müssten mit ihren Lohnabzügen auch Pflegerinnen und Verkäuferinnen zur Kompensation beitragen, ohne selbst in jedem Fall profitieren zu können. Mit dem Guthaben 516’000-Kniff darf man sicher sein, dass jetzt Pflegerinnen und Verkäuferinnen in praktisch allen Fällen begünstigt werden. Problem gelöst.

Die Ironie der Geschichte: weil die bürgerliche Seite davon ausgeht, dass die dezentrale Finanzierung (aus Rückstellungen) möglicherweise machbar, politisch aber schwer durchsetzbar ist und deshalb eine sog. solidarische also kollektive Lösung gesucht werden muss, gerät man unweigerlich in die mit einem «Solidaritätsmodell» verbunden Schwierigkeiten. Es ist nämlich heikel, in jedem Fall sinnvoll zu definieren, wer zur Solidarität als Zahler verdammt ist und wer als Empfänger profitieren darf. Man ist zwar bereit für eine solidarische Lösung, handelt sich aber gleichzeitig Vorwürfe von Links ein, weil sie nicht perfekt ist. Man hätte also gleich beim ASIP-Modell bleiben können.

Die Bundesratslösung umgeht das Problem, in dem alle den gleichen Zuschlag bekommen, aber sehr unterschiedlich beitragen müssen. Aber diese Giesskanne ist enorm teuer, geradezu verschwenderisch und beim Volk kaum durchsetzbar, auch wenn die Gewerkschaften sie grossartig finden.

*

Die Behandlung im Nationalrat wird sich absehbar zwischen den Fronten von sachbezogener Diskussion und politischem Machtanspruch bewegen. Die Linke kann sich in sozialpolitischen Fragen keinem bürgerlichen Revisionsvorschlag anschliessen. Das würde ihrem Selbstverständnis als alleiniger Hüterin der sozialen Interessen widersprechen. Dem Finden von Lösungen ist das nicht förderlich. Die Debatte verspricht intensiv und möglicherweise auch unterhaltsam zu werden. Was zählt, ist einzig das Resultat. Diesbezüglich halten wir uns mit Prognosen noch zurück.

Peter Wirth, E-Mail