“Zuerst wollten die vier Bundesräte von SVP und FDP nichts davon wissen, doch nun geben sie nach: Sozialminister Alain Berset muss zur Renteninitiative der Jungfreisinnigen keinen Gegenvorschlag ausarbeiten. Man will das Thema vertagen, einmal mehr.” Fabian Schäfer ist enttäuscht vom Bundesrat und schreibt in der NZZ:

Von der Idee eines Automatismus hält [Berset] nichts, weil sich damit «die tatsächliche Situation auf dem Arbeitsmarkt und die Bedürfnisse der Bevölkerung» nicht berücksichtigen liessen.

Eher erstaunlich ist ein anderes Argument, das der Bundesrat anführt: Die demografische Herausforderung der AHV könne nicht allein durch eine Erhöhung des Rentenalters gelöst werden, sondern es brauche eine zusätzliche Finanzierung. Das mag sein, mit dieser Feststellung dürften auch viele Befürworter der Initiative einverstanden sein. Nur: Das Argument spricht nicht gegen die Renteninitiative. Sie verhindert in keiner Weise eine erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer oder andere Zusatzfinanzierungen. (…)

Für Alain Berset ist der Entscheid ein Erfolg. Die Aussicht, einen Gegenvorschlag für ein höheres Rentenalter ausarbeiten und vertreten zu müssen, war für den Sozialdemokraten wenig verlockend. Er hat dem Vernehmen nach im Vorfeld mehrere Einzelgespräche mit Bundesratskollegen geführt, um sie von seiner Haltung zu überzeugen.

Nun, im zweiten Anlauf war er erfolgreich. Weshalb haben die bürgerlichen Bundesräte dieses Mal nachgegeben? Laut zuverlässigen Quellen haben die SVP-Bundesräte Guy Parmelin und Ueli Maurer keine Mitberichte mehr eingereicht. Das FDP-Duo hingegen, Karin Keller-Sutter und Ignazio Cassis, soll sich erneut zu Wort gemeldet haben. Allerdings leisteten sie keinen fundamentalen Widerstand, und Berset ging auf ihre Einwände ein.

Eine zweite Konzession ist potenziell wichtiger: In der Botschaft zur Renteninitiative soll Berset aufzeigen, wie die nächste Reform nach «AHV 21», die in den 2030er Jahren unausweichlich wird, aussehen könnte. Die Botschaft soll spätestens im Juli 2022 vorliegen. Somit könnte dies der Zeitpunkt sein, an dem sich der Bundesrat erstmals offiziell zu einem grundsätzlichen Bekenntnis für ein höheres Rentenalter durchringt. Diese Woche war er noch nicht bereit dazu.

  NZZ