Personen mit langen Ausbildungen sollten etwas länger arbeiten müssen. Weil es fair und mehrheitsfähig ist und sich erst noch finanziell auszahlt, meint der Politograf Michael Hermann in einer Kolumne im Tages-Anzeiger.

Seit 2003, als Bundesrat Pascal Couchepin das Thema Rentenalter 67 ins Spiel brachte und damit gegen eine Wand der Ablehnung prallte, gilt beim Rentenalter alles, was jenseits von 65 liegt, als verbrannte Erde. Umso mehr sollte die Politik hellhörig werden, wenn sich fast zwei Drittel für eine Erhöhung des Rentenalters für Tertiärgebildete aussprechen. Zufällig ist dieser Zuspruch nämlich nicht.

Zwar haben heute bereits 44 Prozent der Erwerbstätigen einen Hochschulabschluss, einen Abschluss einer höheren Fachschule oder von etwas Äquivalentem. Entscheidend ist: Noch sind die Betroffenen in der Minderheit. Dazu kommt, dass Personen mit Hochschulabschluss zwar erwartungsgemäss am wenigsten Begeisterung für das Modell zeigen. Sie wären schliesslich am stärksten davon betroffen. Dennoch sprechen sich erstaunliche 46 Prozent von ihnen dafür aus. Viele, die erst Mitte zwanzig ins Berufsleben eingestiegen sind, haben offensichtlich nicht nur Grauen davor, etwas länger als bis 65 zu arbeiten.

Am Ende ist es einfach fair, wenn Personen mit langen Ausbildungen etwas länger arbeiten müssen. Tertiärgebildete haben von der Allgemeinheit eine Ausbildung finanziert erhalten, sie steigen später ins Berufsleben ein, haben im Schnitt eine höhere Lebenserwartung und profitieren entsprechend länger von der Rente.

Der Teufel beim Lebensarbeitszeitmodell steckt in der Umsetzung. Der puristische Ansatz, der darin besteht, eine bestimmte Anzahl von Beitragsjahren für den Bezug einer vollen Rente festzulegen, führt nämlich ins Abseits. Wenn jedes Ausbildungsjahr nach 20 ein zusätzliches Jahr bis zur Pensionierung bedeutet, dann macht dies tertiäre Ausbildungen über Gebühr unattraktiv. Wenn alle Väter und Mütter, die eine Zeit lang aus dem Erwerbsleben aussteigen, entsprechend länger arbeiten müssten, wäre das mit der Mehrheitsfähigkeit dahin. Schafft man hier allerdings Ausnahmen, wird das Ganze zum Bürokratiemonster und verliert seine Eleganz.

Deshalb muss es anders aufgezäumt werden, und zwar mit einer direkten Verknüpfung mit dem Bildungsabschluss. Zum Beispiel so: Wer einen Masterabschluss hat, bekommt die volle Rente zwei Jahre später. Wer einen Bachelor hat, 1,2 Jahre, und alle mit HF-Abschluss ein Jahr nach dem Normrentenalter. Das ist massvoll, einfach zu erfassen, und doch ist es eine bedeutsame Entlastung für das Rentensystem.

Bereits in wenigen Jahren werden die Tertiärgebildeten nämlich die Mehrheit der Erwerbsbevölkerung stellen, ihre Einkommen und damit auch ihre Rentenleistungen liegen über dem Schnitt, und unter ihnen sind besonders viele bis 65 überhaupt noch erwerbstätig. Dieses Modell ist simpel, es ist fair, es schafft einen Mehrwert, und es hat insbesondere auch das Potenzial, mehrheitsfähig zu sein. Es wäre eine Altersreform ganz nach Schweizerart.

  Kolumne Hermann