imageIn einem Interview mit der Aargauer Zeitung äussert sich Swiss Life-Präsident Rolf Dörig zu den Folgen der Corona-Krise, zum Rentenalter, dem Umwandlungssatz, Mieterlassen und mehr. Auszüge.

Mit einer Begrenzung der Hilfe ist es nicht getan?
Der Staat wird mit einer zusätzlichen Verschuldung von bis zu 100 Milliarden Franken aus dieser Krise kommen. Diese Schulden müssen wieder abgebaut werden. Das geht nicht ohne die Schuldenbremse. Und es braucht eine Verzichtsplanung. Wir müssen – wie nach einem Gewitter – die Schäden besichtigen und uns dann fragen: Worauf müssen wir in Zukunft verzichten, damit nicht spätere Generationen die Zeche zahlen?

Heisst das, dass vor der Krise aufgegleiste Vorhaben – etwa der Vaterschaftsurlaub – gestoppt werden sollten?
Sicher. Angesichts des Schuldenberges sollte die Sicherung der sozialen Errungenschaften im Zentrum stehen und kein weiterer Ausbau. So ist nicht nur der Vaterschaftsurlaub, sondern insbesondere auch die vom Bundesrat vorgeschlagene Überbrückungsrente nicht opportun. Wir müssen – ganz generell– wieder bescheidener werden. Auch das lehrt uns diese Krise.

Auch die Altersvorsorge ist von den Turbulenzen betroffen. Swiss Life ist einer der grössten Akteure in der zweiten Säule. Wie beurteilen Sie deren finanzielle Lage?
Sie hat sich nochmals verschärft. Die Altersvorsorge leidet unter der demografischen Alterung, die Schere zwischen den Aktiven und den stark zunehmenden Rentnern öffnet sich immer mehr. Auch die Lebenserwartung steigt weiter. Pensionskassen kämpfen zudem mit fallenden Anlageerträgen und tiefen Zinsen. Zusätzlich wird nun die Rezession und die steigende Zahl der Arbeitslosen dazu führen, dass die Prämienbeiträge sinken. Das wird die AHV besonders hart treffen, aber auch in der zweiten Säule wird insgesamt noch viel mehr Geld fehlen als bisher schon.

Darum wollen Sie alte Forderungen durchbringen: Tieferer Umwandlungssatz, höheres Rentenalter?
Gerade wegen der Krise ist die Reform der Altersvorsorge noch wichtiger und dringlicher geworden. Es ist breit anerkannt, dass für Frauen und Männer dasselbe Rentenalter von 65 gelten soll– diesen Schritt muss man nun endlich vollziehen. Bald werden wir zudem nicht mehr um eine generelle Erhöhung des Rentenalters herumkommen.

Was ist mit dem Umwandlungssatz?
Eine Senkung war schon vor Corona überfällig, nun ist sie es erst recht. Die vorgesehenen sechs Prozent müssen schnell kommen. Wir müssen die bestehenden Renten sichern und für die Übergangsgeneration eine Lösung ohne Renteneinbussen anstreben. Es geht um die langfristige Sicherheit für alle. Diese ist nach dieser Krise doppelt wichtig. Dazu kann auch die Nationalbank einen Beitrag leisten.

Sie wollen, wie die Linken und Teile der SVP, das Nationalbankgeld anzapfen?
Nur die Gewinne der Nationalbank aus den Negativzinsen. Eine Bemerkung vorweg: Die Unabhängigkeit der SNB ist zentral. Aber die aktuelle Geldpolitik mit den Negativzinsen hat einen Preis. Unter den Folgen der Negativzinspolitik leidet auch die berufliche Vorsorge. Allein den Pensionskassen werden dadurch 500 Millionen Franken pro Jahr entzogen. Ich finde, dieses Geld gehört korrekterweise den Versicherten. Heute fliesst es von der SNB in die allgemeine Bundeskasse. Mit diesem Geld kann man einen Teil der Reform der zweiten Säule finanzieren. Insbesondere kann so verhindert werden, dass die Übergangsgeneration Renteneinbussen erleidet.

Swiss Life ist nicht nur in der ­Vorsorge tätig, sondern auch ein grosser Vermieter. Warum wehren Sie sich gegen politische Vorstösse, die einen Erlass von Geschäfts­mieten verlangen?
Das halte ich für grundfalsch. Das widerspricht unserem rechtsstaatlichen Grundverständnis. Es nicht am Staat, in privatrechtliche Verhältnisse einzugreifen. Wir sollten unsere bewährten Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, direkte Demokratie, Föderalismus, Subsidiarität, ja überhaupt unsere Freiheit generell nicht wegen einer mehrmonatigen Krise über Bord werfen.

  AZ