Michael Schoenenberger listet in der NZZ die nicht existierende Erfolgsgeschichte des Sozialministers auf. Und befürchtet, am Ende könnte sich das als Erfolg für die Sozialisten erweisen. Auszüge aus dem Kommentar:

Es war ein Dogma. Und es ist ein Dogma geblieben bis heute: Nur ein Sozialdemokrat kann die «sozialen Dossiers» reformieren. Nur ein Sozialdemokrat überzeugt seine eigenen Leute. Nur ein Linker in der Verantwortung, so die Bürgerlichen, ist ein «guter Linker» – einer, der unideologisch und sachorientiert die notwendigen Reformen durchsetzt. Zum Beispiel in der Altersvorsorge, im Gesundheitswesen.

Heute ist das Dogma widerlegt: Auch ein Linker kann die Sozialwerke nicht reformieren. Berset ist gescheitert. Von Beginn an beging er zu viele Fehler. Zunächst baute er das Bundesamt für Sozialversicherungen um. Anstatt Leute ins Boot zu holen, die ihm widersprachen, setzte er auf Gleichstrom: Schlüsselstellen wurden mit Linken besetzt, Kritiker suchten das Weite. Bald sprach man nicht mehr vom Bundesamt für Sozialversicherungen, sondern von der «roten Kapelle».

Die dramatischen Fakten. Die gesamte Altersvorsorge ist in Schieflage. In der AHV türmen sich die Milliardendefizite. Bis 2030 klafft eine Finanzierungslücke von 26 Milliarden Franken – notabene trotz den jährlichen 2 Milliarden (!), die dank dem Volks-Ja zur Staf-Vorlage zusätzlich in die AHV fliessen. Die berufliche Vorsorge ist eine einzige grosse Baustelle. Die wichtigsten Parameter sind noch immer politisch bestimmt. Weil aber die Politik handlungsunfähig ist, bleiben die Parameter falsch eingestellt.

Was ist der Grund dafür? Ganz einfach, ein weiteres Dogma. Nennen wir es Berset-Dogma: Denn der Sozialminister geht seit acht Jahren von der gleichen, fatalen Prämisse aus: dem «Leistungserhalt», überall im Sozialstaat, aber besonders in der Altersvorsorge und im Gesundheitswesen. Das wiederholt er bei jeder Gelegenheit, und es ist falsch. Denn es lässt die Tatsache ausser acht, dass sich die Vermögen im 21. Jahrhundert bei den Alten anhäufen, während Junge – den Negativzinsen und der grassierenden Umverteilung sei gedankt – praktisch nichts mehr ansparen können.

Vor Wochenfrist hat der Bundesrat die Botschaft zur Legislaturplanung 2019–2023 vorgelegt. Sie umfasst eine Bilanzierung der letzten Legislaturperiode, eine Lagebeurteilung sowie konkrete Ziele für die neue Periode. Man staunt nicht schlecht. Der Bundesrat schreibt: «Aus der Sicht des Bundesrats ist es trotz allen Schwierigkeiten oder Verzögerungen in einzelnen Bereichen nicht gerechtfertigt, von einer ‹verlorenen Legislatur› zu sprechen. Die Schweiz hat weitere vier gute Jahre hinter sich.»

Berset hatte acht Jahre Zeit, die Sozialwerke zu reformieren. Lässt man ihn weitermachen, werden SVP, FDP, CVP, BDP und Grünliberale in Bälde hart landen. Dann nämlich, wenn subito Milliardenlöcher zu stopfen sind. Dann muss schnell und zwangsweise eine «Lösung» her. Alle sollten wissen: Im reichen Schweizerland ist die einfachste «Lösung» immer, mehr Geld ins System zu pumpen. Die Sozialdemokraten allerdings hätten ihr immerwährendes Ziel erreicht: keine Reformen an Haupt und Gliedern, dafür mehr Geld für den Sozialstaat. Berset wäre am Ziel. Schade eigentlich, sind die Bürgerlichen zu dumm, um das zu begreifen.

  NZZ