Claude Shannon, der Begründer der Informationstheorie, hat formal nachgewiesen, dass der Gehalt einer Information umgekehrt proportional zu ihrer Vorhersehbarkeit ist. Das Eintreffen des Erwarteten ist ohne Informationswert, blosse Redundanz. Die Theorie lässt sich konkret auf die Botschaft des Bundesrates zur BVG-Reform anwenden, die nichts weiter ist als ein Déjà-Vu der Vernehmlassungsfassung. Niemand hat ernstlich etwas anderes erwartet. Den Aufwand mit der Vernehmlassung hätte man sich sparen können, incl. die angeblich coronabedingte Verlängerung. Der Vergleich der Gesetzestexte zeigt, dass zwischenzeitlich lediglich etwas Kosmetik und juristischer Feinschliff angelegt wurden.

Die massiven Einwände gegen den sog. Sozialpartnerkompromiss sind an der Botschaft spurlos vorbeigegangen. Eines der zahlreichen Alternativmodelle wurde zwar pro forma in die begleitenden Unterlagen aufgenommen, aber das ändert nichts daran, dass im zuständigen Departement offenbar kaum Bereitschaft bestand, sich zu einer neuen Lösung aufzuraffen. Man hatte kein Interesse und – so steht zu befürchten – es fehlt auch an der notwendigen innovativen Energie. Hat man sich innerlich von dem ungeliebten Thema verabschiedet?

Der in der Sozialpolitik so glücklos wie seine Vorgänger agierende Departementsvorsteher hat offenbar in Sachen Altersvorsorge nur noch sehr beschränkte Ambitionen, trotz der überragenden Bedeutung des Geschäfts. Das Modell der beteiligten Sozialpartnerorganisationen wird im Kern unangetastet an das Parlament weitergereicht. Doch die Vorlage, die nun  zu behandeln sein wird, ist von Beginn weg handicapiert. Auf Arbeitgeberseite wird er von grossen Teilen abgelehnt. Es sind nicht bloss die Hochlohnbranchen wie Chemie, Bank, Versicherung sondern auch Bau und Gastro. Der Gewerbeverband ist ganz ausgestiegen. Wie sieht es auf Arbeitnehmerseite aus? Gewerkschaftsbund und Travail Suisse halten eisern daran fest, aber die Angestelltenverbände lehnen die Vorlage ab. Bei den Parteien ist Zustimmung nur von links feststellbar.

Der Hashtag #Sozialpartner, den man dem Modell aufsetzt und es damit gegen alle Vorbehalte immunisieren will, ist so irreführend wie #Kompromiss.  Aber man benützt sie noch so gerne als Alibi, um nicht selber aktiv werden zu müssen. Und es darf angenommen werden, dass der kollektiv finanzierte 200 Franken-Rentenzuschlag von einer Mehrheit der Stimmbürger mindestens so entschieden verworfen wird wie der versenkte 70 Franken AHV-Zuschlag der AV2020.  Damit wäre man dann keinen Schritt weiter gekommen.

Man kann endlos darüber rätseln, wie der Arbeitgeberverband sich auf diesen Scheinkompromiss mit den Gewerkschaften hat einlassen können. Eine Medizin, schlimmer als die Krankheit, wurde schon häufig bemerkt. Der Zuschlag als Hebel für künftige Erpressungen, hat die NZZ kaltblütig kommentiert. Auf Medienseite hält ihm der Tages-Anzeiger noch die Stange. Mit dem wohl eigenartigsten Titel zum Thema: «Herr Pfister, retten Sie unsere Renten», wie TA-Redaktor Fabian Renz schrieb. Im Klartext, die CVP alias Mitte soll sich wie gehabt der SP an den Rockzipfel hängen, um das Paket über die Runden zu bringen. Das dürfte auch nicht reichen, aber wenigstens wüsste man dann, wo die Mitte liegt.

Peter Wirth, E-Mail

PS 1. A propos mittlere CVP: kommt uns in den Sinn, dass ein deutscher Film in den 70er Jahre den Titel trug: «In Gefahr und grösster Not bringt der Mittelweg den Tod». Nur als Warnung.

PS 2. Wer den Hinweis auf Claude Shannon im ersten Absatz noch präzisiert haben möchte, hier ein Zitat aus der Biographie von Jimmy Soni und Rob Goodman «A Mind at Play»: What does information really measure? It measures the uncertainty we overcome. It measures our chances of learning something we haven’t yet learned. Or, more specifically: when one thing carries information about another—-just as a meter reading tells us about a physical quantity, or a book tells us about a life—the amount of information it carries reflects the reduction in uncertainty about the object. The messages that resolve the greatest amount of uncertainty—that are picked from the widest range of symbols with the fairest odds—are the richest in information. But where there is perfect certainty, there is no information: there is nothing to be said.