NZZ – Hebel zur Erpressung

Vor allem aber ist es stossend, allen Rentnern, die in den Jahren nach der Reform pensioniert werden, zusätzlich einen Bonus von 200 Franken pro Monat zu gewähren. Diese Regelung soll erst noch unbefristet gelten. Die Gewerkschaften würden damit einen Hebel erhalten, um bei weiteren Reformen immer höhere Zuschläge zu erpressen. (…)

Das bewährte Dreisäulenmodell der Schweizer Altersvorsorge ist wegen des Reformstaus unter Druck geraten. Dass der Bundesratsvorschlag die Akzeptanz der zweiten Säule erhöht, ist jedoch zu bezweifeln. Vielmehr dürfte die Transparenz ungenügend bleiben. Über die zentralen Fragen, die Erhöhung des Rentenalters und die Entpolitisierung der zweiten Säule, diskutiert Bundesbern schon gar nicht. So bleibt zu hoffen, dass die Renteninitiative der Jungfreisinnigen zustande kommt. Diese verlangt, dass das Rentenalter für beide Geschlechter auf 66 Jahre erhöht wird und anschliessend an die Lebenserwartung gekoppelt wird.

Für die hängige Reform der zweiten Säule liegen alternative Ideen vor. Das Parlament sollte die Fehler der gescheiterten letzten Reform nun nicht wiederholen. Die Parteien von Mitte-links setzten auf Biegen und Brechen eine Lösung durch, die vor dem Stimmvolk scheiterte. Sie wurden dabei von Sozialminister Alain Berset (sp.) und der Verwaltung unterstützt, die alternative Vorschläge torpedierten.

Die Kritiker des Bundesratsvorschlags stehen jedoch ebenfalls in der Pflicht. Sie müssen sich auf einen tragfähigen Plan B verständigen. Während die Linke am selben Strick zieht, funktioniert die bürgerliche Allianz bei der Altersvorsorge schlecht. Die ebenfalls hängige Reform der AHV ist für die zweite Säule ein schlechtes Omen. Der Entscheid über die anspruchsvolle, aber weniger komplexe Vorlage hat sich unlängst erneut verzögert. Die Bürgerlichen müssen sich zusammenraufen, wenn sie den Rentenreformen ihren Stempel aufdrücken wollen.

Tages-Anzeiger – Herr Pfister, retten Sie unsere Renten!

Es ist gewiss ein gangbarer Weg, der hier vorgeschlagen wird. Und vor allem beruht er auf einem Kompromiss, den die wichtigsten Sozialpartner mittragen. Nach einer langen Serie gescheiterter Reformversuche in der Vergangenheit ist der Wert eines solchen Friedensvertrags evident. Leider ziehen die bürgerlichen Parteien nicht mit. Zu bequem haben sie sich im ideologischen Schützengraben eingerichtet – von wo sie nun bereits Kanonaden gegen den vorgesehenen Rentenzuschlag («systemfremde Umverteilung!») abfeuern.

Von FDP und SVP war keine andere Reaktion zu erwarten. Bedauerlich ist, dass sich die CVP, die vor drei Jahren noch an einer Konsenslösung mitarbeitete, in diese destruktive Phalanx eingereiht hat. Dabei wäre die BVG-Reform für die neue Mitte-Partei, die CVP-Präsident Gerhard Pfister plant, eigentlich ein politisches Geschenk. Mit einer positiven Haltung könnte sich die «Mitte» gegenüber der freisinnigen und grünliberalen Konkurrenz profilieren. Und sie könnte jenen Pragmatismus zum Wohl des Landes an den Tag legen, der ja ihr Markenzeichen werden soll.

Zu einer pragmatischen Einstellung gehört auch die Bereitschaft, eigene Positionen zu revidieren. Es ist für die CVP/Mitte noch nicht zu spät. Gerhard Pfister, übernehmen Sie!

FuW – ungeniessbar

Dieser Rentenzuschlag ist der eigentliche Stein des Anstosses. Er macht die vorgeschlagene Revision ungeniessbar, gleich aus mehreren Gründen. Zunächst ist er sehr teuer. Allein seine Finanzierung kostet gegen 2 Mrd. Fr. Insgesamt würde die Revision gemäss Botschaft rund 3 Mrd. Fr. pro Jahr kosten. Zudem wird für die Ausschüttung des Zuschlags einmal mehr die Giesskanne in die Hand genommen – das ineffizienteste Instrument der Sozialversicherung überhaupt. In den Genuss des Zuschlags kommen alle Neurentner, auch wenn sie eine ohnehin hohe Rente erhalten und/oder über ein grosses Vermögen verfügen.

Schliesslich, und dieser Aspekt wird vernachlässigt, führt die Revision zu einer Vermischung der ersten und der zweiten Säule der Altersvorsorge, auch wenn der zuständige Innenminister Alain Berset dies am Mittwoch vor den Medien abstritt. Das in der zweiten Säule angewandte Kapitaldeckungsverfahren wird aufgeweicht zugunsten des Umlageverfahrens, das in der AHV gültig ist. Damit wird das grundlegende Dreisäulenprinzip in der Altersvorsorge in Frage gestellt. Das ist eine fundamental falsche Weichenstellung.

  NZZ / TA / FuW