imageYvonne Seiler Zimmermann, Professorin am IFZ der Hochschule Luzern in Zug, spricht in einem Interview mit der Handelszeitung über eine vorgegaukelte Sicherheit in der beruflichen Vorsorge, die strikte Trennung von AHV und zweiter Säule, eine marktfremde Regulierung sowie mehr Selbstverantwortung bei den Jungen. Auszüge:

In einer für den Pensionskassenverband Asip erarbeiteten Studie zur Zukunft der beruflichen Vorsorge kommen Sie zum Schluss, dass sich auf Sicherheit ausgerichtete Altersrenten kaum mehr effizient über den Kapitalmarkt finanzieren lassen. Welche Konsequenzen hat das?
Man muss wegkommen vom Sicherheitsgedanken. Es braucht eine auf Kapitalmarktrisiken ausgerichtete Risikokultur. Die Versicherten müssen an den Gewinnen und Verlusten partizipieren. Gleichzeitig brauchen sie mehr Mitsprache, wie sie ihr Geld anlegen möchten. In Verbindung mit dieser vermehrten Selbstverantwortung hat jeder Einzelne zu entscheiden, wie viele und welche Risiken er eingehen will.

Das von den Rentnern angesparte Kapital rentiert nicht mehr genügend. Damit kommt es zu einer Umverteilung von den Erwerbstätigen zu den Pensionierten. Eine jüngere Untersuchung beziffert diese Quersubventionierung über die vergangenen zehn Jahre mit rund 90 Milliarden Franken. Wie lässt sich das stoppen?
Man muss wegkommen von den völlig marktfremden Regulierungen. Mindestverzinsung und Umwandlungssatz sind gemessen an den Erträgen aus risikolosen Anlagen noch immer viel zu hoch.

In umhüllenden Kassen werden die Umwandlungssätze gesenkt, indem das Kapital im überobligatorischen Bereich deutlich tiefer verzinst wird als im obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge mit vorgegebenem Mindestzins. Torpediert das nicht den Grundgedanken der zweiten Säule?
Ja, diese Umverteilung von besser Verdienenden zu weniger gut Verdienenden war im Ursprungskonzept der beruflichen Vorsorge bestimmt nicht vorgesehen. Vor allem geschieht dieser Geldtransfer in einer völlig intransparenten Art und Weise. Für die breite Bevölkerung ist das nicht sichtbar. Absolut sicher sind nur die angesparten Gelder im BVG-Obligatorium. Entsprechend macht es auch wenig Sinn, sich mit zusätzlichem Kapital in die eigene Pensionskasse einzukaufen.

Aus der Finanzwelt kommen Vorschläge, man solle die starren Anlageregelungen nach BVV 2 aufweichen oder gar auf die in angelsächsischen Ländern verbreite Prudent Investor Rule übergehen, damit mehr Spielraum bei den Investments entstehe.
Solange keine Risikokultur vorherrscht, macht es keinen Sinn, die Asset Allocation zu lockern. Ein gutes Beispiel sind die Lebensversicherer. Dort gibt es noch strengere Vorschriften für die Anlagestrategie, weil gegenüber dem Versicherungsnehmer garantierte Leistungen erbracht werden.

Dann sind auch die Verzinsungs- und Deckungsvorschriften zu hinterfragen?
Absolut. Diese Schlüsselgrössen widerspiegeln die Verhältnisse am Kapitalmarkt nur unvollständig. Eine Pensionskasse kann keine Garantien aufgrund eines Mindestzinses abgeben.

Ist in der zweiten Säule eine stärkere Individualisierung nötig, wie sie für besserverdienende Kadermitglieder und Spezialisten mit den 1e-Plänen bereits möglich ist?
Diese Flexibilität sollte es auch im BVG-Bereich geben.

  Interview mit Y. Seiler /   Studie Seiler-Zimmermann für den ASIP