Fabian Schäfer analysiert in der NZZ messerscharf die schlimme Verfassung unserer Altersvorsorge und die untauglichen Reformprojekte. Auszüge:

  • Es ist verblüffend. In der Politik scheinen wir bereit zu sein, Entscheide mitzutragen, die wir uns im Privaten nicht erlauben würden. Keinem Vater käme es in den Sinn, seiner Tochter mehr Geld abzunehmen, damit er sich länger ein arbeitsfreies Leben gönnen kann. Genau darauf läuft aber die Rentenpolitik der Schweiz hinaus, auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen. Die Jüngeren sollen mehr bezahlen, damit die Älteren weiterhin spätestens mit 65 in Rente gehen können.
  • In der Altersvorsorge geben die Apostel der Besitzstandwahrung den Ton an. Sie tun so, als könne es sich die Schweiz leisten, die enormen Lücken in der AHV und den Pensionskassen mit immer noch mehr Geld zuzuschütten – als liesse sich der demografische Wandel mit Milliarden aufhalten.
  • Lediglich 1,4 [von 7] Milliarden Franken sind für das individuelle Sparen vorgesehen. Der grosse Rest fliesst in die sogenannte Umlagefinanzierung. Weniger vornehm ausgedrückt: Dieses Geld wird subito wieder ausgegeben und landet auf dem Konto der Rentnerinnen und Rentner.
  • Die AHV wird mit dem Plan des Bundesrats nur bis 2030 gesichert. Danach öffnen sich neue Lücken, weil die Summe der jährlich ausbezahlten Renten weiterhin rapide steigt, von heute 44 auf 84 Milliarden Franken im Jahr 2045. Die Kinder von heute können sich auf weiter steigende Abgaben einstellen, die ihnen unter dem Titel eines «Generationenvertrags» abverlangt werden, den sie nie unterschrieben haben.
  • Rational erklärbar ist das nicht. Die Argumente für Rentenalter 66 oder 67 sind so erdrückend, dieser Schritt ist so offenkundig logisch – dennoch schreckt die Politik davor zurück. Und zwar von links bis rechts.
  • Wie kein anderer hätte es Berset in der Hand gehabt, die Bevölkerung sukzessive auf das Unausweichliche einzustimmen. Vielleicht nicht so brachial wie sein Vorvorgänger Pascal Couchepin, sondern vorsichtig und hartnäckig. Berset wäre dazu prädestiniert gewesen, als Sozialdemokrat und als populärer Magistrat mit einnehmender Autorität. Doch nach sieben Jahren im Departement ist davon nichts zu spüren. Die Hoffnungen, er als gemässigter SP-Vertreter werde einen Durchbruch beim Rentenalter einleiten, werden enttäuscht.
  • Die Bevölkerungsgruppe «65+» wird laut den amtlichen Statistiken massiv wachsen: von heute 1,5 auf 2,7 Millionen Frauen und Männer im Jahr 2045. Das ist keine Schwarzmalerei, sondern eine ziemlich präzise Prognose, da alle diese Pensionierten in spe schon lange geboren sind. Niemand wird sagen können, man habe es nicht gewusst. Die Zahl der Rentner wird sehr viel stärker steigen als die Zahl der Erwerbstätigen.

  NZZ