imageOekonomie-Professorin Monika Bütler erklärt im NZZ-Interview, weshalb sie vom Sozialpartner-Kompromiss nicht viel hält. Auszüge:

Sie sahen die gescheiterte Rentenreform kritisch. Nun liegt der Plan B für die zweite Säule auf dem Tisch. Was halten Sie vom Vorschlag der Gewerkschaften und der Arbeitgeber?
In der beruflichen Vorsorge ist eine Reform sehr kompliziert. Der tiefere Mindestumwandlungssatz hätte schon vor zehn Jahren oder früher eingeführt werden sollen. Viele Pensionskassen haben daher die Senkung bereits vollzogen und mithilfe des überobligatorischen Teils Lösungen gefunden, um mit dem überhöhten Satz umzugehen. Darum ist es so gut wie unmöglich, eine Reform zu finden, die allen Pensionskassen gerecht wird. Der gegenwärtige Vorschlag der Sozialpartner ist ein Unding für Personen, die in Kassen versichert sind, die den Umwandlungssatz schon gesenkt haben.

Warum?
Der Vorschlag führt bei den erwähnten Pensionskassen zu doppelten Kosten für eine Generation und doppelten Kompensationen für eine andere. Ein grosser Teil der Versicherten, die heute zwischen 55 und 65 sind, kam bereits innerhalb der zweiten Säule in den Genuss von Kompensationen durch die Jüngeren oder die Arbeitgeber. Durch den Vorschlag der Sozialpartner werden diejenigen, die nach der Inkraftsetzung der Reform in Rente gehen, nochmals entschädigt. Alle anderen sollen über höhere Lohnbeiträge erneut dazu gezwungen werden, einen Beitrag zu leisten. Für eine Mehrheit der Jungen in den meisten Pensionskassen ist diese Lösung sehr ungerecht.

Aber Nichtstun wäre immer noch die schlechtere Option als der Vorschlag der Sozialpartner.
Nein, für viele Vorsorgeinstitutionen wäre dies die bessere Option, für andere allerdings nicht. Es ist ein grosser Fortschritt, dass sich die Sozialpartner an einen Tisch gesetzt haben, und ich hoffe sehr, dass der Dialog weitergeht. Der vorgeschlagene Rentenzuschlag ist allerdings genauso teuer und bringt ebenso viele Ungerechtigkeiten wie das Zückerchen von 70 Franken bei der AHV, das mit der gescheiterten Rentenreform geplant war. Es wäre klüger, punktuell diejenigen zu unterstützen, die kurz vor der Pensionierung stehen und einen grossen Anteil des Pensionsvermögens im obligatorischen Teil haben, beispielsweise über den Sicherheitsfonds. Ganz gerecht ist auch diese Lösung nicht, aber die Betroffenen sind ja nicht selber schuld an der Verzögerung der Reformen.

Wie würden Sie die zweite Säule reformieren?
Ich hätte wohl versucht, den Umwandlungssatz in der zweiten Säule zu entpolitisieren. Es ist ökonomischer Unsinn, nominale Marktgrössen ins Gesetz zu schreiben. Wir können diese genauso wenig beeinflussen wie das Wetter. Allerdings darf der Umwandlungssatz auch nicht einfach den Marktparametern überlassen werden. Sonst wären grosse Sprünge in den Renten und Ungleichbehandlungen möglich, gerade in Krisensituationen. Ein unabhängiges Gremium mit Experten und den Sozialpartnern könnte mit der Festlegung des korrekten Satzes beauftragt werden. Die erfolgreichen Reformen verschiedener Pensionskassen im Zusammenhang mit dem zu hohen Umwandlungssatz zeigen, dass dies sehr gut funktionieren kann.

  NZZ