Es ist noch nicht lange her, als ein Kapitalbezug bis zu drei Jahre vor der Pensionierung der Kasse gemeldet werden musste. Neuerdings nehmen die Kassen auch noch 5 Minuten vor der Pensionierung den Antrag auf Kapitalbezug dankend entgegen. Die einst gefürchtete Negativ-Selektion (Kranke wählen das Kapital, sportliche Senioren die Rente) ist kein Problem mehr. Und 1e-Pläne sind in der Regel zwingend mit dem Bezug des Kapitals verbunden. Michael Ferber schreibt in der NZZ:

Willy Thurnherr (CEO der Aon) hält es für problematischer für die Entwicklung der beruflichen Vorsorge, dass immer mehr Pensionskassen das Anlagerisiko auf die Versicherten überwälzen. Es gebe eine zunehmende Zahl an Pensionskassen, die eine Unlust zeigten, Renten an ihre Versicherten zu zahlen. Mache dies Schule, stelle sich letztlich die Frage, ob die zweite Säule noch ihren ursprünglichen Zweck erfülle, sagt Thurnherr.

Als Beispiel nennt er den Entscheid verschiedener Vorsorgeeinrichtungen, ab einer gewissen Höhe einen Kapitalzwang einzuführen. Aufgrund dieser Regelung müssten die Versicherten Gelder zunehmend selbst anlegen – dies könne beispielsweise im hohen Alter problematisch werden. In dieselbe Richtung geht laut Thurnherr die Einführung von 1e-Plänen. Die Pensionskassen, die solche Regelungen oder einen Kapitalzwang eingeführt hätten, seien zwar noch in der Minderheit. Allerdings könnten immer mehr Vorsorgeeinrichtungen diesen Kassen folgen, zumal es sich bei den «Pionieren» um grosse Einrichtungen handle.

In eine andere Richtung geht die Kritik von Juerg Mueller von der Vermögensverwaltung WM Weibel Mueller AG. Laut ihm dürfte die berufliche Vorsorge zusammen mit der AHV bei immer weniger Versicherten ausreichen, um den gewohnten Lebensstandard zu halten. Vielen gelinge dies nur mithilfe von Erbschaften. Ausserdem dürfte angesichts der gesunkenen Umwandlungssätze das Interesse von Versicherten mit höheren Einkommen, eine Rente zu beziehen, nachlassen, sagt Mueller.

Er geht davon aus, dass zumindest Teilkapitalbezüge immer öfter Vorkommen. Wohlhabendere Versicherte dürften sich sagen: «Wenn die Rente schon so niedrig ist, möchte ich wenigstens einen Teil des Kapitals raus- nehmen und dieses Geld an meine Nachkommen vererben.»

Mueller rechnet für die kommenden Jahre mit einer Zunahme der Kapitalbezüge. Als Folge davon erwartet er, dass in den kommenden Jahren in der Politik wieder Vorstösse diskutiert werden, die einen zumindest teilweisen «Rentenzwang» fordern.