Roger Baumann und Livio Forlin von c-alm haben eine höchst aufschlussreiche und anregende Studie zum Thema «Wettbewerb in der beruflichen Vorsorge verfasst, die viel Aufmerksamkeit gefunden hat – leider aus dem falschen Grund.

Grosse Aufregung lösten die aufgeführten 309 Mio. Franken für Makler und Broker bei Kassensturz und PK-Netz aus, was in diversen Medien unweigerlich zum Begriff «Abzocke» führte. Allerdings reduziert sich der Betrag bei genauerem Lesen (inkl. Fussnote) auf 177 Mio. Doch der Kassensturz-Moderator hat sich gegen besseres Wissen über die scheinbar interessantere, weil grössere Zahl ausgelassen, womit mehr über die Qualität unserer TV-Information ausgesagt ist als über das Broker-Gewerbe.

Die im Kassensturz gleich zwei Mal aufgegriffene Thematik (inklusive einem Schlenker in Richtung der ungeliebten Assekuranz, deren Verband der Moderator wie weiland Robin Hood bei der Jagd auf den räuberischen Adel im Lederwams aufsuchte) bildet in der c-alm Studie jedoch nur ein Gegenstand unter zahlreichen anderen. Es geht primär um die Durchführung der beruflichen Vorsorge unter marktmässigen, d.h. Konkurrenzbedingungen. Die Wichtigkeit der damit aufgeworfenen Fragen lässt sich daran ermessen, dass aktuell bereits 71 Prozent der Aktiven in Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen versichert sind.

Allerdings sind dabei auch grosse öffentliche Kassen enthalten wie etwa die Publica oder die kantonalen Kassen von Zürich, Basel-Stadt oder St.Gallen, die nur bedingt mit den im Markt aktiven SGE zu vergleichen sind, da sie überwiegend die Angestellten eines Arbeitgebers, nämlich des Bunds oder der Kantone versichern, unter bestimmten Voraussetzungen aber externe Anschlüsse zulassen, dies aber ohne Brokerbeteiligung.

Werden nur die am Markt tätigen und mit Brokern arbeitenden SGE erfasst, reduziert sich der Anteil gemäss der uns von c-alm zur Verfügung gestellten Zahlen auf 66 bis 69 Prozent der Aktiven. c-alm geht dabei von den gemeldeten Beträgen in ihrem SGE-Sample aus und rechnet auf dieser Basis die Zahl der Aktiven aller Einrichtungen mit Brokerzahlungen hoch. Das BFS erfasst diese Daten leider nicht.

Eine qualitativ entscheidende Differenz zu den erwähnten 71 Prozent ergibt sich daraus nicht. Mindestens zwei Drittel aller Versicherten sind demnach heute in Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen untergebracht, die auf dem Markt und unter Wettbewerbsbedingungen miteinander konkurrieren. Baumann und Forlin haben dazu eine Reihe von Überlegungen angestellt, die eine vertiefte Diskussion verdienen, hier aber bloss erwähnt werden können. Es sind dies neben der Problematik der Broker-Entschädigung der Konzentrationsprozess, die Auswirkungen des Wettbewerbs auf Vorsorgepläne und Anlagestrategie, die Ein- und Austrittsbedingungen, der Individualitätsgrad und die Behandlung der Rentnerbestände.

Die Tatsache, dass heute die Mehrheit der Destinatäre nicht mehr in einer klassischen Firmen-Pensionskasse versichert wird, ist Folge des laufenden Konzentrationsprozesses, der über die Aufgabe der Selbständigkeit kleinerer und zunehmend auch mittelgrosser Kassen in der Regel mit einem Anschluss an eine SGE läuft. Die Extrapolation dieser Entwicklung auf die kommenden Jahre dürfte zu einem Rückgang der Zahl aller Kassen bis 2027 auf schätzungsweise noch rund 1000 Einheiten führen. Davon gerade noch 250 firmeneigene Einrichtungen. Obwohl einst das BVG mit Blick auf diese autonomen Firmenkassen entwickelt wurde, bilden sie schon bald eine kleine Minderheit.

Baumann und Forlin erkennen im Konzentrationsprozess das Potenzial für Effizienzgewinne. Sie schreiben aber auch: «Die Konsolidierung birgt aber auch Gefahren. (…) Die Bereitschaft des Arbeitgebers, in Krisenzeiten für die Pensionskasse einzustehen, wird somit schwinden. Es ist ferner anzunehmen, dass durch das reduzierte Interesse der Arbeitnehmenden und das abnehmende Verantwortungsbewusstsein der Arbeitgeber auch das Leistungsniveau der Vorsorgepläne eher abnehmen wird.»

Es ist bemerkenswert, wie wenig diese bedeutsame Entwicklung in der Diskussion um die Zukunft der 2. Säule thematisiert wird. Und erst recht fehlt es an Überlegungen und offenbar auch an der Motivation, Gegensteuer zu geben. Würde der Konzentrationsprozess lediglich zur Bildung grösserer autonomer Einheiten führen, wäre die Entwicklung unproblematisch. Durch den Konzentrationsprozess bei den SGE verändert jedoch die 2. Säule grundsätzlich ihren Charakter.

Absehbar werden uns die Themen SGE und damit verbunden jenes der Broker künftig noch intensiver beschäftigen. Nachdem von Verbandsseite man die Probleme bisher weitgehend ignoriert oder bagatellisiert hat, scheint uns der plötzliche Ruf nach gesetzlicher Regelung übereilt.

Dringender als die Frage der Honorierung dünkt uns jene der Qualitätssicherung bei der Beratung. Wenn, wie Roger Baumann es formulierte, eine fachlich kompetente Beratung eher die Ausnahme als der Normalfall sein sollte, so wäre primär hier anzusetzen. Auf welche Weise die Leistung schliesslich entschädigt wird, ist zweitrangig.

Peter Wirth, E-Mail