Der Tages-Anzeiger berichtet über die Stimmungslage im Bundeshaus in Bezug auf die vom Bundesrat vorgelegte Botschaft zu den Ueberbrückungsleistungen.

So viel Tempo legt der Bundesrat selten an den Tag. Im Mai beschloss er im Grundsatz, den über 60-Jährigen nach einer Aussteuerung aus der Arbeitslosenversicherung eine existenzsichernde Überbrückungsleistung zu gewähren. Gut fünf Monate später schickt er die Vorlage bereits ans Parlament. Normalerweise braucht der Bundesrat vom Grundsatzentscheid bis zur Botschaft ans Parlament etwa eineinhalb Jahre.

Der Grund für die Eile ist die europapolitische Agenda. Voraussichtlich im Mai kommt die Begrenzungsinitiative der SVP vors Volk, welche die Kündigung der Personenfreizügigkeit verlangt und damit die bilateralen Verträge mit der EU gefährdet. Bereits bei der Masseneinwanderungsinitiative war die Angst der über 50-Jährigen vor dem Arbeitsplatzverlust ein Grund für die Zustimmung. Die Überbrückungsleistung sei eine Antwort auf das Unbehagen in der Bevölkerung und auf den Druck auf dem Arbeitsmarkt, sagte Sozialminister Alain Berset vor den Medien. (…)

Während die SVP die Überbrückungsleistung als schädlich ablehnt, weil noch mehr Angestellte vorzeitig in den Sozialstaat abgeschoben würden, meldet die FDP zumindest Vorbehalte an. Sie fordert, dass die Leistungen erst ab 62 Jahren gewährt werden und sich die Ausgesteuerten weiterhin um Arbeit bemühen müssen. Sonst hätten Arbeitslose ab 58 keinen Anreiz mehr zur Stellensuche, weil sie zuerst während zweier Jahre Arbeitslosengeld beziehen können. Die FDP lehnt die Überbrückungsleistung jedoch nicht grundsätzlich ab, nicht zuletzt, weil ihre Bundesrätin Karin Keller-Sutter die soziale Absicherung zusammen mit den Gewerkschaften ausgearbeitet hat. (…)

Die Grünliberalen halten die «Verrentung von älteren Arbeitslosen» für falsch, wie GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy sagt. Die Entlassung älterer Arbeitnehmer werde den Arbeitgebern dadurch noch erleichtert. Zudem konstruiere der Bundesrat einen Zusammenhang von Personenfreizügigkeit und Arbeitslosigkeit, der nicht existiere.

Die SVP kritisiert den Bundesrat scharf. Dieser wolle die Gewerkschaften mit einer neuen Sozialleistung dazu bringen, die Begrenzungsinitiative zu bekämpfen und dem Rahmenabkommen mit der EU zuzustimmen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) lobt den Bundesrat hingegen. Endlich reagiere dieser auf die steigende Arbeitslosigkeit bei älteren Arbeitnehmern. Allerdings fordert der SGB, dass die Leistungen schon ab 57 Jahren gewährt werden.

Die Vorlage wird bereits im Dezember vom Ständerat behandelt. Es ist davon auszugehen, dass der Ständerat die Vorlage ohne wesentliche Änderungen akzeptiert. Denn SP, Grüne und CVP, die die bundesrätlichen Vorschläge unterstützen, dürften auch künftig eine Mehrheit in der kleinen Kammer haben. Im Nationalrat ist angesichts der Vorbehalte der FDP und der Ablehnung der GLP eine Mehrheit jedoch fraglich. Die Stimmen von SP, Grünen und CVP reichen nicht.

  TA