imageAxel Lehmann, seines Zeichens Präsident der UBS Schweiz, stellt sich in einem Gastkommentar der NZZ dem Thema Altersvorsorge. Mit Daten seiner Spezialistinnen in der Bank alimentiert, fasst er die bekannten und gefährlichen Trends zusammen. Um nicht in Alarmismus zu verfallen, werden von ihm aber auch Lösungsansätze geboten.

Über das Thema Vorsorge wird zunehmend emotional diskutiert. Dabei könnte ein nüchterner Blick auf die Tatsachen helfen, die Diskussion zu versachlichen – vier Fakten mit acht Zahlen lassen die Brisanz der Situation erkennen: Betrug die durchschnittliche Rentenbezugszeit bei der Einführung der AHV 1948 knapp 13 Jahre, so ist diese für Personen, die heute das Rentenalter erreichen, auf über 24 Jahre angestiegen.

Somit ist das Verhältnis von Beitragsjahren zu Rentenbezugsjahren von 3,4 auf 1,8 geschrumpft. Anders ausgedrückt: 1948 konnten 65-Jährige erwarten, 17 Prozent ihres gesamten Lebens als Rentner zu verbringen. Ein heutiger Neurentner verbringt voraussichtlich 26 Prozent seines Lebens im Ruhestand, eine Neurentnerin gar 29 Prozent.

Keine Gesellschaft kann eine solch massive Reduktion der Erwerbszeit relativ zur Rentenbezugszeit langfristig ohne eine Wohlstandsreduktion bewältigen – entweder über tiefere Renten oder über einen tieferen Lebensstandard der zahlenden Generationen. Letzteres entspricht unserer bisherigen Politik.

Um eine zunehmende Wohlstandsreduktion der zahlenden Generationen zu vermeiden, sind verschiedene Lösungsansätze denkbar: So könnte ein gleichbleibendes Verhältnis zwischen Erwerbs- und Ruhestandsjahren bei 2,0 festgelegt werden – beziehungsweise man legt eine konstante Zielgrösse für den Anteil des Ruhestands am gesamten Leben fest, zum Beispiel bei 25 Prozent. (…)

Auch in der beruflichen Vorsorge wurde die massiv angestiegene Rentenbezugszeit ignoriert und die Umwandlungssätze viel zu lange nicht gesenkt. Verstärkend kommt seit 2015 das Negativzinsumfeld hinzu: Konnten die Pensionskassen das Rentnerkapital über viele Jahre hinweg bei 4 Prozent sicher in Anleihen anlegen, so ist die Verzinsung der fünfjährigen «Eidgenossen» heute mit –1 Prozent tief im negativen Bereich.

Würde dies in einer risikoneutralen Pensionskassenbuchhaltung berücksichtigt, läge der korrekte Umwandlungssatz schon heute unter 4 – nicht wie gegenwärtig bei 6,8 Prozent. Doch das Anlagerisiko und die Negativzinsen werden den nachfolgenden Generationen überlassen – während die Rendite aus den Risikoanlagen heute den Rentnern zugutekommt.

  NZZ