Weil die europäische Wertegemeinschaft droht und die OECD sich daran stört, muss die Schweiz ihre Unternehmenssteuern revidieren. Es geschieht nicht aus eigenem Antrieb. Und weil weltweit die Unternehmenssteuern massiv gesenkt werden, muss die Schweiz nachziehen, will sie nicht ins Hintertreffen geraten. Das führt zu Einbussen bei den Steuereinnahmen, was bei den Sozialisten im Lande regelmässig Panik auslöst. Um sie zu besänftigen und die nötige Revision vor linken Referendumsdrohungen zu bewahren, hat die ständerätliche WAK (resp. ihre massgeblichen Drahtzieher) die Idee entwickelt, als Gegengeschäft neue Mittel in Höhe der Steuereinbussen in die AHV einzuschiessen.

Auf die Idee muss man erst noch kommen: Einbussen in Form von Mehrausgaben zu kompensieren. Das wird «Gegenfinanzierung» genannt. Den Ausdruck sollte man sich merken. Jeder Bürger mit solchen Ideen würde jedenfalls früher oder später unter Vormundschaft gestellt, falls er nicht vorher in Konkurs geht. Nicht so unser Staat und bestimmt nicht jener Ständerat, der sich grosse Sorgen um das Fehlverhalten von Rentnern macht, die ihre PK-Guthaben in Thailand verplempern könnten und ihnen deshalb den Zugang zum Kapital verwehren will. Ausgerechnet.

Massgeblich hinter dem Deal steht die CVP, die schon bei der AV2020 an vorderster Front für die 70 AHV-Franken für Neurentner dabei war, was aber das Volk nicht wirklich genial fand und die Vorlage versenkte. Möglicherweise findet auch die neuste Innovation nicht den erhofften Anklang.

Zu wünschen wäre es, denn was hier dem Volk verklickert werden soll, ist schwer verdaulich. Denn jetzt wird eine über weite Strecke unbefriedigende Steuerreform mit einer AHV-Finanzierung verbandelt, die von der Sache her falsch aufgegleist ist und als taktischer Winkelzug politischen Anstand vermissen lässt. Unüberhörbar der Jubel von links, jetzt sei das Frauenrentenalter 65 vom Tisch. Im Klartext: die Frauen der Generation 50plus sollen weiterhin ihr teures Privileg behalten dürfen, die Rechnung dafür wird an die Jungen geschickt. Und verhaltener Beifall von rechts, weil man zur Rettung der Steuerreform offenbar vor nichts zurückschreckt.

Besonders übel: man spricht sich im Hinterzimmer ab, schanzt sich gegenseitig Versprechungen und Leistungen zu und verknüpft das Ganze so, dass ein Referendum möglichst verhindert und das Volk von der Mitsprache ausgeschlossen wird. Falls das Schule machen sollte, können wir in Zukunft die entscheidenden Fragen gleich dem ständerätlichen Schattenkabinett überlassen. So wird die Demokratie ausgehebelt.

In diesem Zusammenhang regelmässig übersehen, aber nicht bedeutungslos. Mit ihrem Vorstoss mischt sich die WAK auch in die Geschäfte der SGK ein und betreibt eigenständige Sozialpolitik. Dass Bischof, Graber und Keller-Sutter in beiden Kommissionen des Ständerats Mitglied sind, und die SVP in der WAK-S nur gerade mit dem farblosen Hinterbänkler Föhn vertreten ist, dürfte die Grenzüberschreitung erleichtert haben. Die Folgen für die laufende AHV-Revision sind schwer absehbar aber problematisch, denn es wird vorgespurt und der Handlungsspielraum stark eingeschränkt.

Zwar kommt der Vorschlag aus der linken Mitte, im Kern aber profitiert die SP, die zwar genau weiss, dass die Steuerreform unvermeidlich und dringlich ist, selber keine besseren Vorschläge hat, sich das Versprechen für den Verzicht auf ein Referendum aber teuer abkaufen lässt.

Zu kritisieren ist insbesondere das Vorgehen, mit denen die Strukturprobleme der AHV mit schnellem Geld kurzfristig übertüncht werden sollen. Denn verschwiegen wird, dass die AHV ebenso wie die 2. Säule strukturell unterfinanziert ist. Statt aber die Probleme von Grund auf anzugehen, wird das Heil in Pflästerlipolitik gesucht. Dass die linken AHV-Fans sich damit zufrieden geben, lässt an ihrer viel beschworenen Liebe zur 1. Säule zweifeln. Da ist offenkundig weit mehr Populismus und Parteimarketing als Substanz im Spiel.

Die Umlagefinanzierung, auf der die AHV beruht, setzt voraus, dass die Bevölkerungs-Struktur über lange Zeit einigermassen stabil bleibt, damit die Rechnung aufgeht. Das ist bekanntlich nicht der Fall. Die sog. Bevölkerungspyramide, die sich zur Urne wandelt, hat man uns bis zum Gehtnichtmehr vorgeführt. Konsequenzen werden daraus nicht gezogen. Wenn aber voraussehbar die Zahl der Beitragszahler zurückgeht, gleichzeitig jene der Bezüger und die Lebenserwartung massiv ansteigen, muss ein Puffer angelegt werden. Und zwar nicht bloss ein paar Milliarden im Ausgleichsfonds, sondern im grossen Stil. Oder besser noch, man stabilisiert die Rentenbezugsdauer und passt die Beitragssätze an (Liste nicht abschliessend).

Wird bloss weitergewurstelt, baut sich eine massive Asymmetrie zwischen Beitragsleistenden und Leistungsbezügern auf. Das lässt sich belegen, in Franken und Rappen. Die UBS hat es in einer Studie getan. Sie kommt auf eine Unterfinanzierung der AHV in Höhe von rund 1 Billion Franken (versprochene Leistungen minus erwartete Beiträge). Das BSV hat das Problem mit der Bemerkung beseitigt, in einem Umlagesystem gebe es keine Unterfinanzierung. Offenbar bloss Pleiten und Zahlungsunfähigkeit. Da sind wir ja sehr beruhigt. Nicht umsonst hat der grosse amerikanische Ökonom John Kenneth Galbraith die umlagefinanzierte Vorsorge mit Kettenbriefen verglichen.

Zu grundlegenden Reformen aber fehlt der Mut und die politische Vision und schlicht auch der Wille. Man schwadroniert lieber vom Generationenvertrag und plündert die Ressourcen. So bleibt nichts anders übrig, als sich das nötige Geld hektisch aus allen möglichen und unmöglichen Quellen zu verschaffen, um die Löcher kurzfristig zu stopfen. Genau das soll jetzt mit dem genialischen WAK-Deal geschehen.

Das Ganze ist so durchsichtig, so konstruiert, so selbstgefällig und vor allem das Resultat so unbefriedigend, dass man sich wünscht, wir hätten etwas weniger geniale Ständeräte. Auf taktische Brillanz können wir dankend verzichten.

Peter Wirth