Die Kosten für die Ergänzungsleistungen haben sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt und wachsen weiterhin rasant. Es muss also etwas getan werden. Entweder das bleibt wirkungslos oder es tut weh. Der Nationalrat hatte den Mut, weh zu tun und entsprechend sind die Einschätzungen der Sozialpartner und die Medienkommentare.

Die ersten Entscheide des Rats:

• Der Kapitalbezug bei Pensionierung bleibt in der obligatorischen beruflichen Vorsorge möglich. Wer das Kapital aber bezieht und verbraucht, dessen EL wird um 10 Prozent gekürzt. Der Kapitalbezug für Wohneigentum und Selbstständigkeit wird nicht angetastet.
• Das Maximum der anrechenbaren Mieten wird nur für Städte um 100 auf 1200 Franken erhöht. Kantone können diese Höchstbeträge um bis zu 10 Prozent kürzen.
• Die Beiträge für Kinder werden teilweise gesenkt.
• Es wird eine Vermögensgrenze von 100’000 Franken eingeführt (Ehepaare 200’000 Franken): Wer mehr Vermögen hat, erhält keine EL. Für Wohneigentum gibt es eine Sonderlösung.
• Wer AHV-, IV oder Hinterlassenenrenten bezieht und sein Vermögen ohne wichtigen Grund rasch verbraucht, muss Kürzungen bei der EL gewärtigen.
• Ältere Arbeitslose sollen ihre Pensionskassenguthaben bei der Pensionskasse des bisherigen Arbeitgebers belassen und später dort verrenten lassen können.

Der Arbeitgeberverband schreibt:
Der Nationalrat hat in seiner Beratung der Reform der Ergänzungsleistungen (EL) gegenüber dem Ständerat wichtige Korrekturen vorgenommen. Zum einen will er eine Vermögensschwelle für den EL-Bezug einführen. Damit wird verhindert, dass Personen mit Vermögen die Behörden zunehmend administrativ belasten und unnötig EL beziehen. Zum anderen will die grosse Kammer die Vermögensfreibeträge im Vergleich zum Ständerat tiefer ansetzen, indem er auf das bis 2010 geltende Niveau zurückgeht. Damit sollen die Leistungen gezielter jenen zugutekommen, die wirklich darauf angewiesen sind. Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) unterstützt diesen Ansatz.

Auch hat sich die Ratsmehrheit im Vergleich zum Ständerat für einen moderateren Leistungsausbau bei den anrechenbaren Mietzinsmaxima ausgesprochen. Damit bleiben die Chancen auf ein Zustandekommen einer Reform intakt, welche die drohende Kostenexplosion in der EL, die mit der alternden Gesellschaft einhergeht, spürbar abbremst. Dazu muss der Ständerat in der Differenzbereinigung zwingend auf den Kurs der grossen Kammer einschwenken. Andernfalls dürfte letztlich nichts anderes übrigbleiben, als einen neuen Reformanlauf zu nehmen.

Der Tages-Anzeiger kommentiert
Auch sollen Arbeitnehmer weiterhin ihr Alters­kapital der obligatorischen zweiten Säule beziehen dürfen, obwohl der Kapitalbezug riskant ist, weil manche Rentner das Geld verjubeln. Die Verwendung des Alterskapitals bei über 50-Jährigen für eine Firmengründung bleibt ebenfalls erlaubt, obwohl solche Projekte oft Verzweiflungstaten sind und scheitern. Doch FDP- und SVP-Vertreter sangen das Hohelied der Selbstverantwortung und wandten sich gegen jegliche Einschränkungen. Gleichzeitig wollen sie EL-Bezüger, die das bar bezogene Pensionskassenkapital verbrauchen, mit einer lebenslangen EL-Kürzung von 10 Prozent bestrafen. Heuchlerischer geht es nicht.

Der Blick schreibt
Umstritten war der Kapitalbezug. Der Bundesrat hatte festgestellt, dass nicht wenige EL-Bezügerinnen und -Bezüger zuvor ihre Pensionskasse als Kapital bezogen und verbraucht hatten. Der Ständerat will den Kapitalbezug daher ganz verbieten. Die Kommission schlug als Kompromiss vor, dass noch die Hälfte der obligatorischen beruflichen Vorsorge als Kapital bezogen werden darf.

Der Nationalrat entschied sich aber, beim geltenden Recht zu bleiben und den Kapitalbezug weiterhin zuzulassen. Es sei unverhältnismässig, wegen einzelner schwarzer Schafe gleich alle Versicherten unter Bevormundung zu stellen, argumentierte Regine Sauter (FDP/ZH). Die EL kann aber um 10 Prozent gekürzt werden, wenn das Kapital aufgebraucht worden ist.

Auch wer sich selbständig machen will, kann sein Pensionskassenguthaben weiterhin frei beziehen. Die Mehrheit sprach sich gegen eine Einschränkung aus. Damit werde Unternehmertum im Keim erstickt, sagte Thomas de Courten (SVP/BL).

Schliesslich nahm der Nationalrat ein Anliegen aus der Reform der Altersvorsorge in die Vorlage auf: Ältere Arbeitslose können ihr Pensionskassenguthaben in der Vorsorgeeinrichtung des bisherigen Arbeitgebers belassen und später eine Rente beziehen.

 RatsprotokollTA / Blick