Die PK-Experten standen in den letzten Tagen in zweifacher Hinsicht im Zentrum des – zugegebenen auf Fachkreise limitierten – Interesses. Die Swic (Swiss Investment Consultants for Pension Funds) kritisiert die Vorschläge zur Revision der Fachrichtlinie 4 zum technischen Zins; der Bundesrat will einen Vorstoss zur Verbesserung der Vergleichbarkeit von Pensionskassen versenken. Ganz unterschiedliche Bereiche, aber mit mehreren Berührungspunkten.

Im November wird resp. soll eine GV der Kammer der PK-Experten die Neufassung der FRP4 zum technischen Zins verabschieden. Die bisherige Gang der Dinge ist bemerkenswert. Der weitere verspricht hochspannend zu werden.

Dass die aktuell geltende Fassung obsolet und revisionsbedürftig ist, wird von niemandem bestritten. Sie war von Anfang an wenig überzeugend. Aus dem Kaffeesatz der Geschichte die Zukunft mathematisch abzuleiten – und das in Zeiten markanter Trendbrüche – ist zum Scheitern verurteilt. Die OAK meldete Revisionsbedarf an. Das war vor drei Jahren.

Die Kammer setzte eine Fachgruppe ein, welche die Frage grundsätzlich klären und den Vorschlag für eine Neufassung erarbeiten sollte. Das tat diese denn auch und verabschiedete einstimmig ihr Modell zuhanden der Kammer. In der Fachgruppe war auch Stefan Eggenberger vom Sekretariat der OAK vertreten.

Im November letzten Jahres erlitt sie damit kläglich Schiffbruch. Mit rund zwei gegen ein Drittel der Stimmen der teilnehmenden Experten wurde ihr Modell abgelehnt und die Fachgruppe zur Erarbeitung einer Neufassung verknurrt. Diverse Mitglieder warfen unter diesen Umständen das Handtuch.

Die Opposition gegen den Vorschlag der Fachgruppe kam vorwiegend aus der Romandie. Wortführerin der Gegner war ausgerechnet Catherine Pietrini von der OAK-Kommission. Nicht nur die Arbeitsgruppe, sondern insbesondere auch Eggenberger wurden damit desavouiert, der die Lösung unterstützt hatte. Da die OAK schon mehrfach unsanfte Richtungswechsel in ihrer Politik vollzogen hat, schien das aber nicht weiter aufzufallen. In Fachkreisen führt man das in höflicher Diktion auf «Führungsmängel» bei der Oberaufsichtskommission zurück.

Die Details der diversen Modelle sind im Papier der Swic nachzulesen, hier nur stichwortartig was zur Debatte steht. Die Fachgruppe entschied sich im Grundsatz für ein System auf der Basis des risikolosen Zinssatzes (Bundesobli) plus einer Marge, die fix oder kassenspezifisch zu bestimmen wäre, limitiert durch eine Obergrenze (die Darstellung unterscheidet sich je nach Quelle). Die OAK hingegen will den Zins bestimmen nach Massgabe zentral vorgegebener Renditeprojektionen, was auch von den Experten aus der Westschweiz mehrheitlich favorisiert wird. Damit stehen sich für die Abstimmung im kommenden November nach Stand der Diskussion primär das gegenwärtige Modell sowie das System mit verbindlichen  Renditeprognosen gegenüber.

Die Swic hat gegen das Renditemodell so grosse Vorbehalte, dass ihr die aktuell geltende Lösung noch lieber wäre. Die ausführlich formulierte fachtechnische Kritik an den OAK-Vorstellungen lässt sich drastisch zusammenfassen im Begriff «Schrott», den man gelegentlich zu hören bekommt.

Wer sich auf die Äste hinauswagen würde, um kategorienspezifische Renditeerwartungen zu errechnen oder besser zu prophezeien, die dann auch noch verbindliche Konsequenzen haben sollen, ist unklar. Bisher bekannt gewordene Anfragen der OAK bei den ALM- und Asset Management-Beratungsunternehmen scheinen allesamt höflich aber bestimmt abgelehnt worden zu sein.

Die Kammer ist bezüglich der FRP4 gespalten. Während die Romands fast geschlossen für das Renditemodell einstehen, ist man in der Deutschschweiz mehrheitlich dagegen. Der Entscheid von letztem Jahr kam deshalb zustande, weil die meisten Deutschschweizer zuhause resp. im Büro blieben. Ein krasser Fall von Röstigraben, der einer tieferen Analyse Wert wäre. Falls sie sich – wie ihre welschen Kollegen – diesmal verstärkt für ihre Fachinteressen einsetzen und die grossen Büros sich ausnahmesweise auf eine Haltung einigen, könnte der letztjährige Entscheid umgestossen werden.

Nun scheint die OAK in dieser Frage am längeren Hebel zu sitzen, denn die Fachrichtlinie hat nur dann Wirkung, wenn sie von der Oberaufsicht als verbindlich abgesegnet wird. Sie kann aber der Kammer keine Fachrichtlinie aufzwingen. Aktuell liegt die Drohung – ausgesprochen oder auch unausgesprochen – in der Luft, dass die OAK selbst eine Richtlinie (möglicherweise ohne das vorgestellte «Fach») aufsetzen wird, falls die Kammer nicht in ihrem Sinne entscheidet. Wenn sie allerdings die dafür notwendigen Renditedaten nicht geliefert erhält, müsste sie auch diese selbst stellen. Und davor wird sie wohl zurückschrecken. Denn ganz klar, damit kann man sich nur die Finger verbrennen.

So wie die Situation ist, scheint sich die Meinungsverschiedenheit zu einer Machtprobe auszuwachsen. Nach den Erfahrungen vom letzten Jahr werden sich möglicherweise etwas mehr Deutschschweizer Experten auf den Weg nach Bern machen. Der Entscheid zur FRP4 ist damit offen. Mit ihrem Papier hat die Swic die Diskussion vorgespurt. Man wartet gespannt auf die weitere Entwicklung.

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Womit wir beim zweiten Thema wären, nämlich bei der vor Jahren durch einen parlamentarischen Vorstoss geforderten Verbesserung der Vergleichbarkeit von Pensionskassen auf der Basis geeigneter Kennzahlen.

Eine von der PPCmetrics im Auftrag des BSV erarbeitete Studie schlägt ein Kennzahlenset vor, das den Anforderungen an die Vergleichbarkeit erfüllen sollte. Der Bundesrat (resp. das BSV) liess nun aber verlauten, dass er es ablehne, «den Vorsorgeeinrichtungen die Anwendung eines solchen Modells vorzuschreiben, insbesondere weil nicht klar ist, ob der Nutzen die dabei entstehenden Kosten rechtfertigen würde». Nun kann man diesem Argument grundsätzlich einiges abgewinnen, würde es aber gerne an anderer Stelle antreffen, nämlich dort, wo es auch relevant wäre.

PPC hat sich nach eingehender Analyse aller in Frage kommenden Kennzahlen auf den risikotragenden Deckungsgrad konzentriert. Dieser ist nicht unumstritten, wobei die Kritik möglicherweise auch auf das verbreitete «Not invented here-Syndrom» zurückzuführen ist. Kaum überzeugend ist hingegen das Kostenargument, weil die Auslagen für die Berechnung des RTD in den allermeisten Fällen kaum ins Gewicht fallen dürften.

Ebenso staunt man, wenn der BR meint: «Zudem würde die Autonomie der Vorsorgeeinrichtungen damit zu stark eingeschränkt, weil die Anwendung eines einheitlichen Risikomodells nicht den jeweiligen Eigenheiten der Vorsorgeeinrichtungen entsprechen würde». Ein einheitliches Risikomodell ist damit doch wohl kaum verbunden, und vor Eingriffen in die Autonomie wird sonst auch nicht lange gezögert.

Besonders hellhörig sollte man jedoch werden, wenn Argumente wie das folgende ins Feld geführt werden: «Auch für die Versicherten ist ein einrichtungsübergreifender Vergleich kaum relevant, da sie per se in das betriebliche Kollektiv eingebunden sind. Die komplexen Kennzahlen, insbesondere auch im Falle einer Integration versicherungstechnischer Zahlen, wären überdies für das Gros der Versicherten nicht sachgerecht interpretierbar.»

Es empfiehlt sich, den Satz zwei Mal zu lesen. Für eilige Leser hier die decodierte Kurzfassung: Für den Versicherten ist die Frage belanglos und verstehen würde er es eh nicht.
Abgesehen davon, dass es sich hier keinesfalls um Rocket Science handelt (die AV2020 ist ungleich komplexer) wären für die Destinatäre etwa im Falle eines Firmeneintritts oder bei einer Kapitaleinlage solche Informationen mehr als wünschenswert. Mit welcher Nonchalance der Bundesrat über diese Bedürfnisse hinweggeht, ist geradezu atemberaubend.

Weitere Ungereimtheiten zeigen sich, wenn man sich an die Anhörung zur Weisung »Risikokennzahlen» der OAK erinnert, welche im Juni gestartet wurde. Da spielen weder Eingriff in die Autonomie noch Kostenüberlegungen irgendeine Rolle.

Der Bundesrat schliesst seinen Kommentar zur PPC-Studie mit Überlegungen, die man für spätere Diskussionen unbedingt speichern sollte: «Die zuständigen obersten Führungsorgane sollen weiterhin unabhängig entscheiden können, welche Ansätze und Modelle zur Risikobeurteilung die individuelle Situation ihrer Einrichtungen am besten abbilden, in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Experten für berufliche Vorsorge. Damit ist auch den Interessen der Versicherten am besten gedient.»

Gilt das nun auch mit Blick auf die OAK-Kennzahlen, oder gelten da zweierlei Ellen, oder ist das Ganze einfach nur schlagender Ausdruck für die Verluderung der 2. Säule durch die überhand nehmende Verpolitisierung, der Profilierungssucht von Ämtern und Behörden, dem allgemeinen Regulierungswahn und für den bemerkenswerten Gleichmut, den die Fachverbände dieser Entwicklung gegenüber einnehmen?

Peter Wirth, E-Mail

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