imageWalter Kielholz, Präsident der Swiss-Re, äussert sich im Interview mit der “Schweiz am Wochenende” zur AV2020. Er hält davon herzlich wenig. Auszüge:

Die nächste wichtige Abstimmung ist keine Volksinitiative, sondern eine Behördenvorlage: Die Altersreform 2020. Als Vertreter der Versicherungswirtschaft müssten Sie dafür sein.
Nein. Diese Reform ist ein «Chabis». Da wird kompensiert und vermischt und «vermüeslet», dass es nicht mehr seriös ist. Nur schon dass die Mehrwertsteuer für diese Reform hinhalten muss, ist entlarvend: Man belastet damit die einfachen Leute, dann ist der Widerstand am kleinsten. Dann: Man vermengt die Erhöhung der AHV um 70 Franken pro Monat mit der Senkung des Umwandlungssatzes in der zweiten Säule, obwohl hier kein Zusammenhang besteht.

Politisch schon: Eine Senkung des Umwandlungssatzes in der zweiten Säule hätte vor dem Volk keine Chance, wenn nicht als Zückerchen die AHV erhöht würde.
Nach dieser Logik könnte der Bundesrat auch gleich noch den Ausbau der A1 ins Reformpaket nehmen, dann würden womöglich die Autofahrer eher zustimmen. Solche Reformpakete sind nicht sauber. Am Schluss ist auch nicht ersichtlich, wer nun wirklich etwas geben muss und wer was bekommt.

Noch einmal: Eine bessere Alternative, die mehrheitsfähig ist, gibt es realpolitisch kaum. Eine Erhöhung des Rentenalters wäre nötig, würde aber abgelehnt.
Ich bin nicht sicher, ob eine Erhöhung wirklich nötig ist. Mein Vorschlag wäre: Man schafft die Pensionierung ab. Das Referenzalter 65 bleibt bestehen – daran orientieren sich die versicherungstechnischen Berechnungen sowohl für die AHV wie auch für die Pensionskasse. Wer länger arbeitet und weiter Beiträge zahlt, der bekommt dann später eine deutlich höhere Rente. Der Hebel ist gewaltig: Wer fünf Jahre länger arbeitet, bekommt eine etwa um einen Drittel höhere Rente.

Könnte unverkrampfter debattiert werden, wäre Rentenalter 67 vom Tisch? Ja.
Diese Diskussion blockiert alles. Bei 67 beginnen alle zu schreien. Wir sollten die Erhöhung ad acta legen. Es bleibt bei 65 als Berechnungsgrundlage – und man bestraft diejenigen nicht mehr, die freiwillig länger arbeiten wollen, sondern belohnt sie. Etwa, indem man ab 65 keine AHV-Beiträge mehr zahlen muss, wie das früher schon der Fall war. Und indem man den Steuer-Freibetrag für Arbeitseinkommen ab 65 heraufsetzt.

Was heisst es konkret, wenn die Pensionierung abgeschafft würde?
Der Arbeitgeber kommt nicht mehr einfach am 65. Geburtstag und sagt: So, nun musst du nicht mehr arbeiten, du bist pensioniert! Sondern der Arbeitsvertrag läuft einfach weiter. Es sei denn, dass ihn der Arbeitnehmer kündigt oder dass der Arbeitgeber findet, jetzt kann oder will der Arbeitnehmer die Leistung nicht mehr erbringen. Man muss also mit dem einzelnen Mitarbeiter die Situation besprechen. Das ist natürlich anstrengender als eine automatische Pensionierung.

Unumgänglich ist wohl eine Senkung des Umwandlungssatzes in der zweiten Säule. Bei der letzten Abstimmung hat das Volk mit 72 Prozent Nein gesagt zu dieser Logik.
Wir müssen wahrscheinlich warten, bis die Babyboomer-Generation pensioniert ist, dann gewinnen wir diese Abstimmung.