Ein Multipack unter dem Titel «Änderungen des AHVG» hat der Bundesrat im April in die Vernehmlassung geschickt. Weil man offenbar grad dabei war, wurden neben den Anpassungen im AHVG auch noch eine ganze Reihe von «Optimierungen» in der BV auf Akzeptanz getestet. In den letzten Wochen sind die Stellungnahmen eingegangen, die wichtigsten haben wir auf der Website publiziert.

Die Auswahlsendung ist auf BVG-Seite nicht besonders gut angekommen. Zwar sind wie üblich die Stellungnahmen höflich und (meist) zurückhaltend formuliert, aber off the record war allerhand Unfreundliches über das Vorgehen des Bundesrates resp. des BSV zu hören. Dass im Windschatten der AV2020 und offenbar dringender Gesetzesänderungen bei der AHV auch bei der 2. Säule quasi so nebenbei auch noch einiges revidiert werden sollte, wurde vielfach als Zumutung empfunden.

Wirklich Notwendiges ist dabei nicht auszumachen. Und da man es unterlassen hat, in wichtigen Punkten vorab die Praxistauglichkeit abzuklären, kam es zu einigen recht unfreundlichen Reaktionen. Eigentlich kam der Vernehmlasser in keinem einzigen Punkt ungeschoren davon.

Gar nicht gut aufgenommen wurde insbesondere die Idee, den Kassen vorzuschreiben, dass sie künftig bei jedem Neueintritt das Vorhandensein allfälliger FZ-Guthaben abzuklären hätten. Der ASIP hält fest: «Die offenbar steuerlich motivierte Missbrauchsgesetzgebung steht in keinem Verhältnis zu den flächendeckend entstehenden Mehrkosten.» Noch etwas deutlicher hat es die inter-pension formuliert: «Dass die Vorsorgeeinrichtung künftig bei jedem Neueintritt zwingend eine Bescheinigung über allfällig beim SIFO gemeldete Freizügigkeitsleistungen einholen muss, entbehrt jeglichem Augenmass für das Machbare.» Und weiter: «Die Vorstellung, dass das vorgeschlagene Modell in der heutigen mobilen Arbeitswelt nur ansatzweise umsetzbar wäre, deutet auf begrenzte Kenntnisse in der praktischen Vorsorgeverwaltung hin.» Hoppla. Selbst der Gewerkschaftsbund, naturgemäss eher freundlich eingestellt gegenüber Ideen aus dem SP-regierten EDI, steht dem Vorschlag «skeptisch» gegenüber. Fürs erste dürfte die Idee gestorben sein.

Eine beinahe humoristische Note hat die Vernehmlassung mit der geplanten Vorschrift erhalten, Regierungsmitglieder und Angehörige der öffentlichen Verwaltung dürften künftig nicht mehr Einsitz in die obersten Gremien der Direktaufsicht nehmen. Ihren Ausgang hat die Forderung bei der OAK genommen, die sich in ihrem Regulierungsbedürfnis wohl wieder einmal übernommen hat. Gewohnt, dass die Regionalaufsichten ihren Forderungen in aller Regel widerstandslos nachkommen, dachte sie offenbar, dass ihr Einfluss bis zu den Kantonsregierungen reiche. Im Fokus hatte sie insbesondere die Inner- und die Ostschweizer sowie gleich auch noch die Westschweizer, wo Regierungsräte in den jeweiligen Gremien vertreten sind.

Selbst streng formulierte Schreibebriefe der OAK an die Fehlbaren fruchteten nichts. Die Ostschweizer nahmen sich aber die Mühe, ein Gutachten zu erstellen, worin zwingend nachgewiesen wurde, dass man es a) schon immer so gemacht habe, und b) jeder kommen könne. Weil das Gutachten von der Verwaltung selbst verfasst wurde (und nicht wie sonst üblich für einen grösseren fünfstelligen Betrag von einem in die richtige Richtung geneigten Rechtsgelehrten), glaubte die OAK sich darum foutieren zu können, war aber zur Heilung der erlittenen Schmach auf Hilfe angewiesen. So eilte denn der Präsident zu seinem obersten Lehensherrn im EDI und bat um Unterstützung, welche jetzt in der vorgeschlagenen neuen Regelung ihren Niederschlag gefunden hat.

Die Konferenz der Kantonsregierungen hat ihre inkriminierten Kollegen nicht im Stich gelassen, sondern in einer gemeinsamen Stellungnahme festgehalten: «Die Kantonsregierungen sind gegen diese Änderung, die einen unzulässigen Eingriff des Bundes in die Organisationsautonomie der Kantone darstellen würde. Die Kantone möchten auch in Zukunft untereinander über Fragen im Zusammenhang mit der Aufsicht entscheiden können.» Und damit es ganz klar wird: »Schliesslich erweist sich auch das vom Bundesrat im erläuternden Bericht geltend gemachte Argument als theoretisch und allgemein. Es basiert nicht auf konkreten Tatsachen, die einen Verstoss gegen das Subsidiaritätsprinzip rechtfertigen würden. Seit der Einführung von Artikel 61 BVG konnten keinerlei Probleme in Bezug auf die Unabhängigkeit der Aufsichtstätigkeit oder Interessenkonflikte festgestellt werden.» Kurz, man empfindet bei den Kantonen das Vorgehen von EDI und OAK als unerwünschte Einmischung resp. als Zwängerei. Man soll sie gefälligst davon verschonen.

Das Thema interessiert ausser vielleicht das Dutzend direkt Betroffener sonst eigentlich niemanden wirklich im Lande. Man hat sich aber doch geäussert. Der ASIP stellt einen «ungerechtfertigten Eingriff in die kantonale Hoheit» fest. Der SGB hält seinem Bundesrat die Stange, auch die PK-Experten, die sich überhaupt in ihrer Stellungnahme obrigkeitsgläubig geben, und etwas überraschend die Arbeitgeber. Man darf gespannt sein, ob der Bundesrat stur bleibt und die Sache noch ins Parlament bringen will oder nicht doch lieber fallen lässt.

Interessant die Reaktionen auf neue Regelungen in Bezug auf die PK-Experten. Der ASIP schreibt dazu: «Wir können die Änderungen nachvollziehen, wobei sich die Frage stellt, ob diese wirklich zwingend notwendig sind und insgesamt zu einem wesentlichen Mehrwert führen. Festzuhalten ist, dass zum Beispiel die Aufgaben in Abs. 1 lit. a. des Entwurfes in vielen Kassen selber – unter Begleitung des Experten – erledigt werden. Es braucht diesbezüglich keinen formellen Auftrag. In diesem Sinn beantragen wir, Abs. 1 lit. a ersatzlos zu streichen.» Also zusammengefasst: vielleicht sinnvoll, aber total unnötig. Auch der SGB kann nichts Gescheites an dem Vorschlag entdecken.

Die Experten hingegen meinen: «Die SKPE begrüsst diese Klarstellung der Aufgaben und Pflichten der Experten und Expertinnen. Auch die in Abs. 6 vorgesehene Bestätigung des Experten an die Adresse der Aufsicht bei der Übertragung eines Rentnerbestandes ist nachvollziehbar. Wir empfehlen im Art. 53e bis Abs. 3 den Begriff “jederzeit“ zu streichen. Die Aufsichtsbehörde wird sich bei der Prüfung der jederzeitigen Erfüllung der Rentenverpflichtungen auf die Angaben der Experten abstützen. Die Experten können jedoch die jederzeitige Erfüllung der Rentenverpflichtungen durch die VE nicht bestätigen.» Man darf feststellen: die Experten haben gar nichts gegen eine Ausweitung der Aufgaben, man wünscht sich bloss nicht zusätzliche Verantwortlichkeiten.

Ein echtes Problem will der Bundesrat bei der Übernahme von Rentnerbeständen angehen. Aber es scheint bloss der gute Wille gegeben, nicht aber die notwendige Kompetenz. Folgen wir dem ASIP, muss festgestellt werden: «Das vorgeschlagene Regelwerk mischt sich derart in die Aufgaben des obersten Organs der abgebenden und übernehmenden Stiftung ein, dass die dem obersten Organ und dem Pensionskassenexperten zugedachte Verantwortung ausgehebelt wird. Die Umsetzung der Bestimmungen ist nicht ausgereift. Der Artikel ist in diesem Sinn grundsätzlich zu überarbeiten und auf das Wesentliche zu beschränken.» Auch die Experten sind mit dem Vorschlag alles andere als glücklich: «Der SKPE scheint jedoch das vorliegende Regelwerk unausgegoren und nicht zielführend. Es sollte noch einmal unter Beizug der verschiedenen Akteure (ASIP, SKPE etc.) überarbeitet werden.» Hätte man doch eigentlich von Anfang an so halten können.

Eine grundsätzliche Überlegung stellt dazu die Aktuarvereinigung an und beweist wieder einmal, dass der Teufel im Detail steckt: «Es stellt sich die Frage, was der Unterschied ist zwischen einem neuen Vorsorgewerk mit 4 Aktiven und 100 Rentner oder einem solchen mit allein 100 Rentnern. Wenn (wie im Begleitbericht erwähnt) ein weitgehend risikoloser Zinssatz verwendet werden muss, dann wird das generell Auswirkungen auf die Bilanzierung von Rentenverpflichtungen in den Vorsorgeeinrichtungen haben bzw. auf den technischen (Bilanz-) Zinssatz. Aufgrund der neuen Bestimmungen würde es vermehrt dazu kommen, dass Rentner nicht weitergegeben werden und das eröffnet ein gleiches Risiko (das man verhindern möchte) aber in die «anderer Richtung»: Weil Rentner bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung verbleiben, mutieren diese sukzessive zu Rentnerkassen. Das will man auch nicht.» Also bitte, nochmals über die Bücher, dieses Mal aber gründlich.

Irgendwann – möglicherweise erst im kommenden Jahr – wird man erfahren, was aus den Vorschlägen geworden ist. Vorerst stehen dringendere Fragen an.

Peter Wirth, E-Mail