Bei unserer Schwäche für neue Informationstechnologien haben wir mit Interesse die Nachricht vernommen, dass der ASIP einen Chatbot ins Zentrum seiner Informationsstrategie zur Abstimmung über die Altersvorsorge 2020 einsetzt. Als «Dreh- und Angelpunkt» der Ja-Kampagne, wie wir vernehmen.
Ins Altdeutsch übertragen heisst Chatbot etwa soviel wie Plauder-Roboter. Die Technologie kennt zweierlei Anwendungsformen. Einmal als schlichter Antwortgeber auf Stichworte. Das konnte das berühmte Eliza-Programm von Josef Weizenbaum bereits 1966. Es hat damals viel Aufsehen erregt, weil es so clever angelegt war, dass die – aus heutiger Sicht – vielleicht etwas naiven Zeitgenossen glaubten, dass tatsächlich ein Computer intelligenzmässig bereits zum Menschen aufgeschlossen habe. Was Weizenbaum so schockierte, dass er seinerseits den Glauben an die Menschheit verlor.
Moderne Chatbots beruhen auf dem Einsatz künstlicher Intelligenz und sind in der Lage, selektiv und interaktiv auf Inputs zu reagieren und dabei grosse Datenbestände zu nutzen. Derzeit gehören sie aber noch eher ins Kapitel der Zukunftstechnologien. Umso mutiger der Schritt des PK-Verbands, sich damit vorzuwagen. Nachdem einst Slampoeten als moderne Rhapsoden für den ASIP das Hohelied der Beruflichen Vorsorge sangen, setzt man jetzt zeitgeistig auf Informationstechnologie.
Microsoft hat sich letztes Jahr mit einem selbstlernenden Chatbot namens Tay versucht, diesen aber schon nach 24 Stunden wieder vom Netz nehmen müssen, weil die Nutzer mit rassistisch gefärbten Anfragen das System über Nacht korrumpierten. Siri und Cortana haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, weil die Nutzer ständig mit unsittlichen Anfragen ihre Datenbanken fluten.
Beim ASIP ist es Daniela, die uns über die AV2020 orientieren soll. Sie scheint gemäss Foto zwischen 20 und 30, bebrillt und dank streng zurück gekämmtem Haar so viel Seriosität verströmend, dass unsittliche Gedanke beim Benutzer gar nicht erst aufkommen können.
Was weiss sie zu berichten? Auf die Frage, was man als Rentner von der Reform erwarten darf, hat Daniela folgende Antwort parat: «Personen die bereits in Rente sind, erhalten keine 70 Franken. Das ist ihr Beitrag zur Reform. Dafür behalten sie den höheren Umwandlungssatz von 6,8%.» OK. Stimmt alles. Mehr oder weniger. Aber ob das reicht, um skeptische Rentner von den Segnungen der Reform zu überzeugen?
Wie ist das mit den notorischen 70 Franken bei Frühpensionierung, wollen wir als Nächstes wissen? Daniela ist überfordert und meint etwas kleinlaut: «Das habe ich jetzt nicht verstanden». Immerhin erhalten wir einen Tipp mit der Aufforderung: «Bitte formulieren Sie ihre Frage um oder versuchen Sie es mit Stichworten wie ‘AV 2020’ oder ‘technischer Zins’ oder ‘flexibles Rentenalter’ oder ‘Scheitern’».
Wir versuchen es mit «Scheitern». Da kann Daniela nun aus dem Vollen schöpfen: «Blieben Bundesrat und Parlament untätig, käme es 2030 zur Katastrophe: Die AHV könnte nicht mehr alle Renten auszahlen, sie wäre praktisch bankrott.» Und ihr Fazit: «Die Dringlichkeit der Reform ist ausgewiesen. Es müssen alle zu Kompromissen bereit sein.» Bei ihrer eindringlichen Antwort hat uns besonders die automobiltechnische Metaphorik überzeugt: «Je später man in die Kurve lenkt, desto heftiger das Lenkmanöver. Das gilt auch für die Reform der Altersvorsorge.» Dagegen ist nichts einzuwenden.
Immerhin kommen auch die Gegner der Vorlage zum Wort. Daniela ist allerdings bei der Auswahl ihrer Zitate nicht eben zimperlich. Da wird von Satz zu Satz auf sehr ungleicher Flughöhe argumentiert. So heisst es etwa: « Die Altersvorsorge 2020 ist kein Kompromiss, sondern eine linke Vorlage zum Ausbau der AHV», was vielleicht etwas für sich hat, wenn auch unüberhörbar polemisch eingefärbt. Eher fragwürdig hingegen: «Der Umwandlungssatz muss nicht gesenkt werden. Die Pensionskassen haben genügend Reserven.» Vielleicht müsste sich unsere Daniela noch mit etwas schlaueren Kritikern auseinandersetzen.
Vielleicht fehlt es uns aber bloss an den gescheiten Fragen, an denen der Bot seine Leistungsfähigkeit zeigen kann. Jedenfalls wünschen wir Daniela Geduld und Einsicht und überzeugende Antworten. Schliesslich wollen wir doch alle keine Katastrophe. Sicher nicht!.
Peter Wirth, E-Mail